Weder Strom, noch fließend Wasser: Wer in der „Maison Rosati“ übernachtet, fühlt sich, als sei die Zivilisation meilenweit entfernt. Dabei sind es nur vier Kilometer bis zum Stadtkern von Esch. Warum manche gerne eine Nacht in der einsamen Waldhütte verbringen, erklären Carlos Breda und Pol Zimmermann.
Fotos: Leslie Schmit
Alpenflair
Wanderern, Spaziergängern und Mountainbikern ist sie vielleicht ein Begriff. Allen anderen dürfte sie unbekannt sein. Die „Maison Rosati“, eine ehemalige Pulverhütte, verbirgt sich in den Wäldern zwischen Esch/Alzette, Rümelingen und Audun-le-Tiche. „Es heißt im Zweiten Weltkrieg hätten sich Menschen hier versteckt, um anschließend über die französische Grenze zu fliehen“, verrät Carlos Breda, Generaldirektor des lokalen „Centre d‘Initiative et de Gestion Local“ (CIGL). Ähnliche Objekte gebe es in der Minett-Region noch viele, durch den ehemaligen Bergbau.
Weil sie nicht mehr gebraucht wurden, wurden sie verlassen und weitgehend vergessen. Vielerorts eroberte sich die Natur Industriebrachen und Steinbrüche zurück. Als das CIGL 2004 auf die Baracke stieß, befand sie sich in einem desolaten Zustand. „Die Idee einer Wanderhütte, nach dem Vorbild der Berghütten in den Alpen, war schnell geboren“, erklärt Breda. Zu diesem Zweck wurde das Häuschen von seinem Team renoviert. „Es ist die einzige Übernachtungsmöglichkeit dieser Art im ganzen Großherzogtum“, meint der CIGL-Direktor begeistert.
Heute kann man Gebäude und Gelände für kleines Geld mieten. Das Ganze wird in Zusammenarbeit mit der „Administration de la nature et des forêts“ (ANF) vermietet und instand gehalten. „Es ist kein Hotel“, warnt Pol Zimmermann, Bredas Kollege und Förster von Esch. Die Hütte ist spartanisch, aber fachmännisch eingerichtet: Hochbetten, Öllampen, Brennholz, Wasserflaschen, Rettungsdecken und Verbandskasten gehören zur Standardausrüstung. „Für Laien stehen auch LED-Lampen und Zippos parat“, lacht Zimmermann. Picknick-, Grill- und Feuerstellen stehen abenteuerlichen Mietern und Passanten gleichermaßen zur Verfügung, ganz im Sinne eines echten „gîte d´étape“.
Obwohl sie abgelegen liegt, ist sie keine Party-, sondern eine Erlebnislocation. Aus diesem Grund ist das Häuschen auch nicht mit dem Pkw, sondern ausschließlich zu Fuß erreichbar. „Anfangs war der Zugang mit dem Auto erlaubt, aber wir haben ein paar negative Erfahrungen gemacht“, erklärt der junge Förster und fügt hinzu, „Lärm ist an sich kein Problem. Umweltverschmutzung dulden wir hingegen nicht“. Außerdem sei der Weg zur Hütte Teil des Abenteuers, meint Breda, der die Erfahrung im November vergangenen Jahres selbst gemacht und eine Nacht im Wald verbracht hat.
Mit Strom und Wasser hätte das Ganze keinen Charme.
„Es war extrem“, gibt er offen zu. Wegen der Kälte habe er draußen schlafen müssen. Was zunächst paradox klingt, macht durchaus Sinn. Am Lagerfeuer ist es nämlich deutlich wärmer als in den feuchten vier Wänden, wie unser Selbsttest bewiesen hat, doch dazu später mehr. Aufgrund der Temperaturen haben sich die Verantwortlich rezent dazu entschieden, die „Maison Rosati“ im Winter nicht mehr zu vermieten. Während des Jahres ist das rustikale Häuschen rund 15 bis 20 Mal belegt. „Vor allem junge Menschen zeigen Interesse. Im Sommer wird es hingegen ebenfalls von Familien für einen netten Grillabend genutzt“, sagt Breda. Obwohl es ein großes Anliegen des CIGL sei, verschiedene Standorte wie Ellergrund und Galgenberg besser miteinander zu vernetzen und zu vermarkten, wolle man die Herberge nicht wesentlich öfters vermieten als bisher – aus Respekt vor der Natur und den Wildtieren. „Der öffentliche Wald, in dem sich die ‚Maison Rosati‘ befindet, gehört dem Staat und ist eigentlich als Jagdrevier ausgewiesen“, weiß Zimmermann. Zu befürchten habe man trotzdem nichts, meint der 29-Jährige, er und die Jäger wissen ja Bescheid. Unserer bevorstehenden Nacht im Wald stehen wir dennoch mit gemischten Gefühlen gegenüber.
Aussteiger auf Zeit
Es ist 18 Uhr. Trotz Verabredung sind wir die einzigen auf dem Parkplatz im Ellergrund. Vier weitere Personen sollen noch zu uns stoßen, zwei sind bereits abgesprungen. Wir warten ein paar Minuten. Vom Stillstehen wird uns kalt, also entscheiden wir uns loszugehen. Mit einer Taschenlampe und Rucksäcken ausgestattet, folgen wir dem ausgeschilderten Weg, an dessen Rand sich die Überreste einer alten Lastenseilbahn befinden. Die schwarzen Stahlgittermaste ragen in regelmäßigen Abständen voneinander in den Himmel, die Seile sind längst verschwunden. Zum Glück ist es bereits dunkel und die Reichweite unserer Lampe begrenzt, denn so können wir den steilen Hügel, der sich vor uns erstreckt nur erahnen. Der Ausflug hat schon etwas von einem Horrorfilm. Wir reden immer weniger, konzentrieren uns auf den Pfad vor uns und kommen ganz schön ins Schwitzen. Bis zur „Maison Rosati“ sind es zwei Kilometer.
Plötzlich klingelt das Handy. Es ist einer aus unserer Gruppe. Er ist dicht hinter uns, kann uns am Schein unserer Taschenlampe erkennen. Wir sind überrascht über die Tatsache, dass wir immer noch erreichbar sind und freuen uns darüber, eine kurze Verschnaufpause machen zu können. Wir warten, etwas länger als gedacht. Zu dritt bezwingen wir den „Berg“ und biegen anschließend rechts, tiefer in den Wald, ab. Den härtesten Teil haben wir bereits hinter uns. Nach weiteren fünfzehn Minuten erstreckt sich eine Lichtung vor uns. Wir sind da.
Es ist stockdunkel. Offensichtlich sind wir die ersten. Da es keine Außenbeleuchtung gibt, stehen wir nicht lange rum, sondern machen Öllampen und Brennholz ausfindig. Keiner von uns hat jemals eine Öllampe angezündet, aber irgendwie klappt es trotzdem. Mit dem Feuer haben die Jungs durchs Grillen schon mehr Erfahrung. Nach und nach trudeln die drei restlichen Mitglieder unserer Runde ein. Alle sichtlich außer Atem – was ein Vorteil ist, denn kalt ist niemandem.
Bis das Feuer zur Glut wird, vergeht gut eine Stunde. Neben dem Grill- haben wir ein Lagerfeuer angelegt, für später, zum Warmbleiben. Mit Glühwein und Feuerzangenbowle stimmen wir uns ein, danach kommt das Fleisch auf den Grillrost. Wintergrillen mitten im Wald? Das hat schon was. Unsere Stimmung steigt, doch die Temperaturen sinken. Erst unbemerkt, dann ganz schnell. Die ersten Handwärmer kommen zum Einsatz. Nach dem Essen setzt die Müdigkeit ein. Ich will mich „nur kurz“ hinlegen. Drinnen ist es eindeutig kälter als draußen vorm Lagerfeuer, und vor allem feucht. Also entscheide ich mich, meine Matratze nach draußen zu schleppen. Dort, unter freiem Himmel, ganz ohne Schutz, zu liegen, hat schon etwas leicht Beunruhigendes an sich. Ich immer müder, nichtsdestotrotz mache ich kein Auge zu. Als einzige anwesende Frau versuche ich mir nichts anmerken zu lassen.
Um zwei Uhr nachts höre ich schließlich, wie die Jungs darüber diskutieren, die Sachen zu packen und sich auf den Rückweg zu machen. Der Vorschlag wird einstimmig angenommen. Wir machen uns auf den Rückweg, der uns jetzt viel kürzer vorkommt. Eine halbe Stunde später sind wir zu Hause und heilfroh in warmen Bettchen zu liegen. Pol Zimmermanns Worte hallen in meinem Gedächtnis nach. Es stimmt, mit Strom und Wasser hätte das Ganze keinen Charme gehabt. Nächstes Mal mieten wir die Hütte aber trotzdem im Sommer.