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Der Kenner

Anders als seine Kollegen muss Armin Schönenberger um Anerkennung kämpfen. Der gebürtige Saarländer ist nicht etwa Wein- oder Bier-, sondern Wassersommelier. Über Luxuswässer, Vorurteile und die tatsächliche Tiefe seines Arbeitsfelds.

Interview: Françoise Stoll / Fotos: Jani Wolf, NürnbergMesse, IDM

Ihr Beruf ist eher selten. Warum haben Sie diesen Weg eingeschlagen?
Schon in meiner Jugend schlug mein Herz für gutes Essen. Später habe ich als gelernter Koch und Küchenmeister nicht nur meine Leidenschaft zum Wein, sondern ebenfalls eine gewisse Faszination zum Wasser entdeckt. Mir ist aufgefallen, dass Mineralwässer unterschiedlich schmecken. Ich konnte mir aber nicht recht erklären, warum. Dieser Frage wollte ich näher auf den Grund gehen und habe mich vor genau fünf Jahren zum Wassersommelier ausbilden lassen.

Wie reagieren die Menschen auf Ihre Tätigkeit?
Ich werde oft belächelt. Der Beruf des Wassersommeliers wird mit Luxus und Marketing in Verbindung gebracht, er ist verkannt. Viele Menschen fragen sich, ob die Welt so etwas braucht. Mir geht es nicht darum, teure Flakons an den Mann zu bringen. Das entspricht meiner Ausbildung gar nicht. Stattdessen fungiere ich als Botschafter, als Berater und informiere den Handel, die Gastronomie sowie die Endverbraucher über die Materie Wasser. Obwohl Mineralwasser mit einem Verbrauch von 148 Litern pro Person und Jahr das beliebteste Erfrischungsgetränk Deutschlands ist, nimmt es kulinarisch nur einen sehr geringen Stellenwert ein.

Wasser gilt eigentlich als neutrale, nicht-aromatische Flüssigkeit. Woher stammt der Geschmack?
Wasser lässt sich nicht nur aufgrund seiner Karbonisierung, also seines Sprudelgehalts, unterscheiden. Die Mineralität (Calcium, Magnesium und Natrium) ist das, was wir schmecken. Calcium ist kreidig, kalkig und hinterlässt ein trockenes Mundgefühl. Magnesium ist eher süßlich, lieblich, mit einem bitteren Nachgeschmack – ein bisschen so wie bei einer Magnesiumtablette. Natrium verfügt hingegen über eine salzige Note. Obwohl salziges Mineralwasser eher verpönt ist, eignet es sich hervorragend als Geschmacksträger.

Was empfehlen Sie, wie kann man Mineralwasser bei Tisch optimal einsetzen?
Genau wie beim Wein gibt es einiges zu beachten. Welches Wasser passt am besten zu Vor-, Haupt- und Nachspeise, aber auch zum Aperitif, Wein und Kaffee? Mineralwässer mit Kohlensäure verfälschen zum Beispiel den Geschmack von Rotwein, da die leicht bitteren Tannine des Weins durch die Säure verstärkt werden. Sprudel ist bei Weißweinen wie Elbling und Riesling förderlicher. Mit dem falschen Wasser kann man den Charakter eines Weins ohne weiteres an die Wand fahren. Daher sollte man unbedingt auf die richtige Wahl achten. Teuer muss das Mineralwasser deswegen nicht sein.

„Der Beruf des Wassersommeliers wird mit Luxus und Marketing in Verbindung gebracht, er ist verkannt.“

Was halten Sie von kostspieligen Import- und Edelwässern?
Dass Wässer tausende Kilometer transportiert werden, ist ökologischer Wahnsinn. Warum muss es unbedingt aus Italien, Norwegen oder Kanada kommen, wenn ebenbürtige, regionale Marken existieren? Luxuswässer sind qualitativ nicht zwingend besser. Leider handelt es sich in manchen Fällen um Tafelwasser, lokales Leitungswasser, das in aufwendig designte Flaschen gefüllt wurde. Nur wer sich Etikett und Kleingedrucktes genau anschaut, kommt dank einer EU-Verordnung hinter die wahre Herkunft und Art.

In Aktion: Armin Schönenberger berät Messebesucher und Interessenten auf der „BrauBeviale“ in Nürnberg.

Welcher Unterschied besteht zwischen verschiedenen Wassertypen?
Heilwasser entspringt einer unterirdischen Quelle und unterliegt dem Arzneimittelgesetz. Mineralwasser muss vor Verunreinigungen geschützt sein, darf seiner Reinheit nicht beraubt oder verarbeitet werden. Außerdem ist Mineralwasser das einzige Lebensmittel in Deutschland mit amtlicher Anerkennung. Quellwasser ist an und für sich Oberflächenwasser, das auf seinem
Weg in die Tiefe verschiedene Gesteinsschichten passiert hat und muss den jeweiligen Trinkwasseranforderungen entsprechen. Tafelwasser ist, wie bereits angesprochen, abgefülltes Leitungswasser, das manchmal zusätzlich mit Kohlensäure versetzt wird.

Und wie stehen Sie zum Thema Leitungswasser?
Positiv. Die Leitungswasserqualität in Luxemburg ist ausgezeichnet. Europa- und weltweit nutzen wir es aber eher zum Duschen, Putzen, Gießen, statt zum Trinken, was sehr schade ist. Pauschal lässt sich nicht sagen, welche Wasserart „besser“ ist. Mineralwasser lässt sich nicht mit dem aus dem Hahn vergleichen, weil Ersteres Tiefen- und Letzteres Oberflächenwasser ist. Für mich ist jedoch klar, dass abgefülltes Leitungs- und aufbereitetes Tafelwasser in der Gastronomie nicht die gleiche Wertigkeit mitbringen wie ein natürliches Mineralwasser. Auch die Präsentation spielt dabei eine Rolle.

Totale Dekadenz: Das teuerste Wasser der Welt heißt „Bling H2O“ (Dubai-Version). Das Flakon ist mit Swarovski-Steinchen sowie Blattgold versehen, der Spaß kostet 2.000 US-Dollar pro Liter.

Was halten Sie von Plastikflaschen?
Im Restaurant hinterlassen sie, meiner Meinung nach, einen unschönen Eindruck. Niemand würde einen guten Wein oder ein Bier in einer Plastikflasche kaufen. Beim Wasser hinterfragt man es nicht. Dabei sieht Glas optisch nicht nur besser aus. Es ist das bessere Verpackungsmaterial, selbst wenn es schwerer ist. Die Mindesthaltbarkeit bei einem Naturprodukt wie Wasser beträgt hier zwei Jahre, beim Plastik ist es nur die Hälfte.

Sorgen Sie sich um die Beschaffenheit des Trinkwassers?
Ja. Die Wasserqualität nimmt nicht nur durch Pestizide weltweit ab. Wasser braucht Jahrtausende bis es in die Tiefen gelangt. Das Wasser, das wir heute trinken, ist noch völlig unberührt von Industrie, Bergbau, Atomkraft und chemischen Substanzen. Das wird für kommende Generationen, früher oder später, nicht mehr der Fall sein. Die Folgen sind nicht absehbar. Außerdem besteht bislang keine Pflicht Medikamentenrückstände im Wasser zu deklarieren.

„Mineralwasser nimmt kulinarisch nur einen sehr geringen Stellenwert ein.“

Was liegt Ihnen als Experte besonders am Herzen?
„Trinken im Unterricht“ ist mir ein besonderes Anliegen. Stressbedingt trinken Kinder – wir Erwachsenen ebenso – zu unregelmäßig und zu wenig. Das kann zu Konzentrationsmangel, Unruhe, Kopfschmerzen bis hin zu ADHS führen und ist medizinisch bewiesen. Bevor man sich für Arzneimittel oder etwa Nahrungsergänzungsmittel entscheidet, sollte man auf bioverfügbare Mittel zurückgreifen. Viele Sportler nehmen die benötigten Mineralien heute über ein speziell auf ihre Bedürfnisse abgestimmtes Wasser auf. Sogar laktoseintolerante Menschen und Veganer können ihr „Manko“ mit einem calciumhaltigen Wasser ausgleichen, ganz ohne Tabletten. Denn ein Mineralwasser mit 150 Milligramm Calcium pro Liter ersetzt ein Glas Milch.

Welche Ziele verfolgen Sie mit Ihrer Karriere?
Ich wünsche mir, den Beruf irgendwann so ausüben zu können, dass ich auch davon leben kann. Das mag vielleicht in Los Angeles und Berlin möglich sein, im Saarland sieht die Lage anders aus. In erster Linie geht es mir jedoch darum, den Menschen das Thema Wasser über den Genuss und den Geschmack näherbringen. Als Botschafter und Mitglied der „Wassersommelier Union Deutschland“ ist es ebenfalls meine Aufgabe, mit Vorträgen über ökologische wie politische Probleme in diesem Bereich aufzuklären.

Zur Person

2012 absolvierte Armin Schönenberger, staatlich geprüfter Gastronom, eine Ausbildung zum zertifizierten Wassersommelier an der Doemens Akadamie in München-Gräfelfing. Er arbeitete unter anderem als Verkaufs- und Vertriebsleiter im Mineralwassersegment für „Apollinaris“ und „Rilchinger“.

Philippe Reuter