Warum die Luxemburger Weine international mithalten können, was die AOP-Bezeichnung gebracht hat und warum auch Bioweine eine Zukunft haben, verraten der Direktor des Weinbauinstituts, Robert Ley, und der staatliche Weinprüfer, André Mehlen.
Fotos: Philippe Reuter, Ute Metzger
Sie, Herr Ley, kommen selbst aus einer Winzerfamilie von der Mosel und haben das Handwerk von der Pike auf gelernt. Viele Weinbauern sind um die 50 bis 60 Jahre, und es fehlt an Nachwuchs. Macht Ihnen die Zukunft des Weinbaus in Luxemburg Sorgen?
Robert Ley: Eigentlich habe ich keine Angst. Die privaten Weingüter werden fast alle von jungen Winzern weitergeführt, die Önologie studieren und dann das Weingut übernehmen. Die anderen Betriebe wachsen auch ein bisschen. Bis vor Kurzem war immer davon die Rede, dass sich die Weinbauflächen in Europa stark vergrößern würden. Wir machen uns hier mehr Gedanken darüber, dass wir ein zusammenhängendes Weinbaugebiet bleiben. Aber wenn man in die Geschichte blickt, ob in Luxemburg, im Burgund, der deutschen Mosel oder dem Bordeaux, da gab es immer Höhen und Tiefen, und bis jetzt sind alle noch immer aus diesen Situationen herausgekommen. Darum bin ich zuversichtlich.
André Mehlen: Winzer zu sein, ist durchaus attraktiv. Sie selbst stellen das Produkt her und können es auch selbst vermarkten. Sie brauchen eine Palette von Kompetenzen, es ist keine monotone Arbeit. Ich komme zum Beispiel von einem Bauernhof. Mich hat immer gestört – deswegen habe ich den Betrieb verlassen – , dass man die Kuh gemolken hat, dann kam der Tankwagen und hat die Milch abgeholt und dann war man sie los. Mir hat gefehlt, mein Produkt selbst gestalten zu können.
Luxemburger Moselweine haben ein Imageproblem. Internationale Weine sind angesagter. Wie würden Sie einen jungen Luxemburger überzeugen, statt eines spanischen Weißweins aus Rueda oder chilenischen Sauvignon blanc einen luxemburgischen Riesling oder Pinot gris zu kaufen?
Ley: Erstens ist es so, dass wir hier in Luxemburg ja auch auf das Einheimische pochen und dann vom Verbraucher verlangen, dass er einheimische Weine trinkt. Dann braucht er nicht so weit zu gehen. Zweitens bieten unsere Weine viel Positives: als Nordregion den Riesling und Pinot gris – das sind Weine, die gegenüber Weißweinen aus südlichen Regionen sehr viel mehr Frische zeigen. Wir haben aber auch weniger säurebetonte Weine hier in Luxemburg, wie zum Beispiel den Auxerrois.
Mehlen: In Luxemburg werden alle Weine verkostet, das heißt systematisch, was in anderen Ländern nicht der Fall ist. Ich bin mir hundertprozentig sicher, dass, wenn sie in Luxemburg irgendeinen offenen Wein blind bestellen, um ihn zu verkosten, die Wahrscheinlichkeit, in Frankreich auf einen schlechten oder fehlerhaften Wein zu treffen, viel höher ist als hier. Wir müssen nur da hinkommen, dass die Leute den Luxemburger Weinen vertrauen und anerkennen, dass sie gut sind.
„Wir müssen eine andere Richtung einschlagen: schrittweise höhere Qualitäten, die mit der Zeit auch richtig entlohnt werden.“ Robert Ley, Direktor des Weinbauinstituts
Sie haben eine Strukturanalyse der Luxemburger Weinwirtschaft bei „Ernst & Young“ in Auftrag gegeben. Was hat sie ergeben?
Ley: Die Ergebnisse liegen in Kürze vor, im nächsten Monat wird die Studie den Winzern vorgestellt. Aber es geht darin weniger um Strukturelemente als vielmehr darum, welche Marketingstrategie die Winzer annehmen müssen, um auf dem Markt erfolgreich zu sein. Wir haben schon ein gutes Image, in dem Sinne, dass unsere Weine zum Teil gut verkauft werden, aber das Image ist ein ständiger Prozess, wo man ständig dranbleiben muss, um präsent zu sein.
Mit der im letzten Jahr eingeführten abgestuften AOP -bzw. Herkunftsbezeichnung soll die Qualität der Luxemburger Weine flächendeckend gesteigert und mit einem jeweiligen Terroir, also einer Lage, verbunden werden. Sind Sie zufrieden mit dem Start? Wie wird die neue Klassifikation bei Winzern und Kunden aufgenommen?
Mehlen: Wir sind zufrieden, dass das Ganze umgesetzt worden ist. Jetzt muss es noch gelingen, den drei Kategorien ein Profil zu geben. Das heißt, wir haben Einstiegsweine, ein Mittelsegment und dann die Terroir-Weine, wo die kleinsten Lagen zur Etikettierung genutzt werden dürfen. Die geografische Einheit soll eine Qualitätsaussage machen. Beim Konsumenten ist das wahrscheinlich noch nicht hundertprozentig angekommen. Das müssen wir jetzt kommunizieren. Und wir müssen jetzt aufpassen, dass wir die Verwendung der Kleinstlagen sehr genau kontrollieren. Nicht bei jedem Wein, der den Ertrag respektiert, sollte sofort die Kleinstlage auf das Etikett. Ansonsten haben wir überall nur Kleinstlagen auf den Weinen. Dann ist es auch keine Aussage.
Müssten die Regelungen für eine echte Profilierung der Luxemburger Lagen nicht noch wesentlich strenger sein? Über 70 Hektoliter Ertrag pro Hektar oder Rivaner-Rebsorte für einen Grand Cru „lieu dit“ sind doch, verglichen etwa mit Burgund oder deutschen großen Gewächsen, sehr großzügig …
Ley: Ja, wir mussten da einen Kompromiss finden mit den einzelnen Winzern. Allerdings liegen viele Winzer an der luxemburgischen Mosel im Ertrag weit unter den gesetzlichen Normen.
Mehlen: Es gibt ja auch Grenzen der Ertragsreduzierung. Ein Terroir-Riesling muss jetzt 75 Hektoliter pro Hektar als Limit respektieren. Es gibt Winzer, die gehen bis auf 40 Hektoliter herunter. Aber noch weniger ergibt keinen Sinn, da die Qualität dann auch nicht weiter steigt. Ich sag jetzt mal, zwischen den 40 und 75 Hektolitern – das hängt auch von der Lage ab –, da liegt das Optimum. Wir sollten dem Winzer auch eine gewisse Flexibilität lassen.
Ley: Die Qualitätssteigerung ist ein Prozess, der in Etappen verläuft. Bei einem Burgunder mit sehr niedrigem Ertrag haben sie dann auch einen sehr hohen Preis, das war in Luxemburg nie üblich. Außerdem spielt der Preiswettbewerb eine große Rolle auf dem Markt. Die Länder aus dem Süden wie Chile und Argentinien, wo der Mindestlohn bei 100 Euro pro Monat liegt, können natürlich zu ganz anderen Preisen produzieren. Wir müssen eine andere Richtung einschlagen: schrittweise höhere Qualitäten, die mit der Zeit auch richtig entlohnt werden.
Sehen Sie nicht die Gefahr, dass es dem Luxemburger Wein ähnlich wie dem aus dem Elsass ergeht: viele Grand Crus mit nicht durchgehender Qualität, unzählige Lagenweine und keine von den Konsumenten wahrnehmbaren Geschmacksprofile?
Ley: Deshalb wollen wir mit unseren Qualitätsstufen das Terroir stärker zum Vorschein bringen. Im Elsass haben Sie relativ hohe Erträge – abgesehen von einigen Weingütern – und wir wollen eben nicht in diese Richtung gehen, sondern genau umgekehrt in Richtung höhere Qualität.
Der Luxemburger Crémant ist ein Erfolgsmodell. Schaumwein kann aber auch ein wenig über Mängel der Grundweine hinwegtäuschen. Ist der Erfolg des Crémants so gesehen ein Hindernis für die von Ihnen angestrebte Qualitätsoffensive?
Ley: Es gibt kein Weinbauland auf der Welt, wo nur ein Qualitätsniveau vorhanden ist, und unsere Rivaner-Weine und Elblinge, das waren früher die Schoppenweine. Die haben sehr stark abgenommen – aus verschiedenen Gründen. Darum war es wichtig, vor 25 Jahren mit dem Crémant anzufangen. Er hat diese Schoppenweine ersetzt. Statt Rivaner pflanzten die Winzer mehr Burgundersorten wie Auxerrois oder Pinot blanc an, weil die sich sehr gut eignen, um Crémant zu erzeugen. Wir haben so relativ viel Potenzial für Crémant, ohne dass uns Grundweine nachher fehlen.
„Das Weinbauinstitut ist und bleibt der Ansprechpartner der Winzer. Alles, was den Weinbau betrifft, ist hier bei uns in Remich verankert.“ Robert Ley
In Frankreich ignorieren mehr und mehr – vor allem junge – Winzer freiwillig die Appellationen bzw. Herkunftsregeln bei ihren Weinen. Oftmals, weil sie noch höhere Qualität bei niedrigsten Erträgen, biologischen Anbau oder Weinstile mit höherer Individualität umsetzen wollen – und sie sind erfolgreich und auf eine gewisse Weise „sexy“. Ist die Luxemburger Weinwelt zu konformistisch?
Ley: Das würde ich so nicht sagen, weil ja in der letzten Zeit immer mehr Winzer auf „Bio“ umgestiegen sind. Wir können sicherlich auch noch mehr „Bio“ vertragen als wir haben. Deshalb haben wir auch eine Mitarbeiterin eingestellt, die sich ausschließlich um den Bioweinbau kümmert. Man muss aber auch die Schwierigkeiten sehen. Wir haben in Luxemburg ein feuchteres Klima als in Burgund oder noch weiter südlich. Das macht den Verzicht auf Schädlingsbekämpfungsmittel nicht einfacher, zumal dann häufig viel Kupfer als Ersatz verwendet werden muss, das auch für lange Zeit im Boden verbleibt.
Mehlen: Sie können einen rockigen, modernen Wein machen, auf dem dann bloß der Name des Hauses steht und dem Wein einen Phantasienamen geben. Das eine schließt ja das andere nicht aus. Wenn Sie nicht unter einer „Appellation“ laufen wollen, haben Sie das Recht, sie müssen dann nur auf viele Angaben verzichten, speziell was die Etikettierung betrifft. Sie dürfen noch nicht einmal Rebsorten-Namen benutzen außerhalb der AOP. Die Möglichkeit besteht, wird aber nur noch wenig genutzt. Vielleicht würde es den Luxemburger Weinen ein moderneres Image geben, also von unserer Seite würde es nicht gebremst.
Ley: Bei einer Probe mit Weinen von verschiedenen Winzern werden sie die Individualität bemerken, weil viele junge Luxemburger Winzer gute Studien im Ausland gemacht, dort Erfahrungen gesammelt haben und zurück im Betrieb das hier umsetzen. Wenn sie mit den Winzern sprechen, findet man in fast jedem Wein den Charakter des Winzers wieder.
Mehlen: Wir haben bewusst keine zu strengen Profile für die Lagen, denn dann würden alle Weine einer Appellation in die gleiche Richtung drehen. Wir haben das relativ flexibel und offen gelassen, damit die Individualität der Winzer spielen kann. Das sehen sie selbst beim Crémant. Es gibt den normalen „brut“ und den „brut barrique“. Man kann darüber diskutieren. Manche mögen das überhaupt nicht, andere wollen genau das. Wir lassen beides zu, es ist dem Winzer überlassen. Solange er damit klarkommt und sich sein Wein gut verkauft, warum sollten wir dem einen Riegel vorschieben?