Es brodelt in Luxemburgs Kellern. Fast heimlich hat sich eine Zunft von Mikro- und Hobbybrauern gebildet, die mit ihrem hausgemachten Craft Beer der industriellen Massenware trotzen. revue hat sich in der Szene umgesehen und einen Selbsttest gewagt.
Text: Françoise Stoll / Fotos: Leslie Schmit, Françoise Stoll, Joël Back, Fox Beer
Handwerklich gebraute Biere könnten den beliebten (Schaum-)Weinen den Rang künftig streitig machen. Weltweit wird Bier immer salonfähiger. Doch ist das traditionelle Großherzogtum mit seiner ausgeprägten Weinkultur für ein alternatives „haut de gamme“-Produkt bereit?
Biersommelier Sebastian Symolka, der seine Leidenschaft für Bier während seiner Studienzeit in Großbritannien entdeckte, sieht den ganzen „Hype“ etwas kritisch. Insbesondere, weil Craft Beer häufig mit IPA (India Pale Ale) gleichgesetzt wird. Dabei hat die Braukultur viel mehr zu bieten: Porters, Stouts, Gose, Lambics, Bock, usw. Während Luxemburg in dieser Branche absolutes Neuland betritt, kennen sich unsere amerikanischen Nachbarn bestens mit innovativen Kreationen aus.
„Vor zirka 50 Jahren hat alles mit der Prohibition in den USA begonnen“, erklärt der Fachmann. Das Alkoholverbot brachte die Amerikaner dazu, heimlich in den eigenen vier Wänden zu brauen. Landesweit überlebten nur 89 Brauereien diese Krise. Ende der 1970er Jahre schaffte Präsident Jimmy Carter das Verbot ab. Damit waren dem Craft Beer keine Grenzen mehr gesetzt. Über 4.000 Brauereien können die USA heute vorzeigen.
Bier ist, genau wie Wein, ein Genussprodukt, das einen fachgerechten Umgang und Respekt verdient.
Lokale (Privat-)Brauer sind auf den Trend von Übersee aufgesprungen. Dass immer mehr Menschen Spaß am Bierherstellen finden und der Eindimensionalität entgegenwirken, freut den Diplom-Sommelier natürlich. Er lobt die Experimentierfreudigkeit, rät jedoch artentypisch anzufangen, damit die Eigenkreationen nicht unharmonisch oder extrem werden.
Hierzulande dominieren Lagerbiere den Markt. Und obwohl das Großherzogtum früher eine waschechte Biernation mit einer Vielzahl an Bierstilen war und heute nur noch sechs Brauereien von relativer Bedeutung sind, betrachtet Sebastian Symolka die Lage optimistisch: „Wir sind sehr konsumfreudig, und auch die Qualität des Bieres lässt nicht zu wünschen übrig.“ Lagerungs- und Ausschankbedingungen bereiten ihm hingegen Sorge.
„Wein gilt als Luxusware, während Bier häufig als banal abgetan wird.“ Sebastian Symolka, Biersommelier
Jahrelanger Anbau, mühevolle Arbeit, wochenlange Verarbeitung. Bier ist, genau wie Wein, ein Genussprodukt, das einen fachgerechten Umgang und Respekt verdient. Qualitativ kann es der Gerstensaft durchaus mit seinem Rivalen aufnehmen. Allerdings spricht das Marketing für Letzteren. „Wein gilt als Luxusware, während Bier häufig als banal abgetan wird“, fasst der Experte zusammen. Ein vermeintlich simples Getränk mit einer jahrtausendalten Tradition und einem Repertoire aus über 250 Hopfensorten. Zum Vergleich: Beim Wein wird lediglich mit 18 Rebsorten gearbeitet.