Mit dem Verreisen ist es dieses Jahr so eine Sache… Der Sommer der Luxemburger steht unter dem Motto #vakanzdoheem und das ist auch gut so. Dennoch trauen sich manche, trotz Corona-Krise, über die Landesgrenzen hinaus, um ihr Fernweh zu kurieren. So traute ich mich nach Ischgl.
Als ich meiner Familie vor ein paar Monaten mitteilte, dass ich vorhabe, im Sommer mit Freunden nach Österreich zu verreisen, war deren Reaktion ziemlich eindeutig. „Aber hoffentlich nicht nach Ischgl?“, scherzte mein Bruder nichtsahnend. Doch! Genau dorthin. Dort, wo scheinbar alles begann. Oder besser gesagt, wo das berühmtberüchtigte Virus sich wie ein Lauffeuer verbreitete und nach kürzester Zeit ganz Europa lahm legte. Unser Vorhaben stieß auf viel Kritik, was uns aber keinesfalls von unseren Plänen abhielt.
Bei den Österreichern stand Luxemburg Mitte August nicht auf der roten Liste, unser Hotel war gebucht, die Autos voll getankt und wir bereit zum Aufbruch. Unserem Ausflug stand also nichts mehr im Weg. Auf der deutschen Autobahn hatten wir ziemliches Glück und kamen unserem Ziel immer näher, ganz ohne Stau. Nach einigen Stunden, die ich gemütlich auf der Rückbank des Wagens meiner Freunde verbrachte, ertönte die Stimme der Beifahrerin: „Guck mal, die ersten Berge!“ Und da sah ich sie, die Berge. Dieses gewaltige Gewölbe, das sich aus der Erde in Richtung Himmel erstreckte. Für jemanden, der erst einmal in seinem Leben (und das vor über 20 Jahren) in den Bergen gewesen ist, ist das atemberaubend. Kennen Sie das Gefühl, das man als Kind hatte, wenn man eine bestimmte Geschmacksrichtung zum ersten Mal im Mund hat, oder einen Geruch zum ersten Mal in der Nase? Der allererste Besuch im Schwimmbad oder als zum ersten Mal die große Leinwand im Kino direkt vor einem zu leuchten begann? So fühlte ich mich. Wie ein Kind, das vor einer neuen, großen Entdeckung stand. Ich war umzingelt von Bergen und es fühlte sich großartig an. Die nächsten Tage konnten nicht anders als überwältigend werden…
Nach gut sieben Stunden Autofahrt sind wir in Ischgl eingetrudelt. Unser Hotel, ein ziemlich neuer, schnuckeliger, etwas am Rande des Dorfes gelegener Familienbetrieb, sah gleich auf Anhieb sehr einladend aus. Drei von uns – unsere Reisegruppe bestand aus sechs Leuten – waren schon zu Gast im Hotel Modern Mountain und bereits öfters zur Skisaison in Ischgl gewesen. Im Hotel blieben wir nicht lange unbemerkt. „Ach, die Luxemburger sind endlich angekommen!“, schallte es aus der Rezeption. Unser Empfang im Hotel hätte nicht freundlicher sein können. Hugo und Sabrina, ein junges, sympatisches Ehepaar, haben das Hotel vor zwei Jahren eröffnet und behandeln ihre Gäste wie gute Freunde. Egal ob wir eine Restaurant-Empfehlung, einen Freizeittipp oder die aktuelle Wettervorhersage brauchten, einer von beiden stand uns jederzeit mit Rat und Tat zur Seite.
Die zweistündige Wanderung, bei der wir mit überwältigenden Ausblicken verwöhnt wurden, war jeden noch so schweißtreibenden Meter wert.
Gleich am ersten Tag sind wir mit der Gondel auf den Berg gefahren. „Im Winter steht man hier in der Schlange und wird dann mit 20 anderen Skifahrern in die Gondel gequetscht“, erklärt mir Kevin, der als begeisterter Wintersportler Ischgl schon mehrmals in der Hochsaison erlebt hat. Seine Schilderung war für mich äußerst schwer vorstellbar. Wir waren quasi die einzigen Touristen in der Talstation. So konnten wir uns bequem eine Gondel zu sechs teilen. Wir hatten genügend Platz und konnten unseren Mundschutz ablegen, da wir eine Gruppe waren. Würde man sich die Gondel mit Fremden teilen, so müsste man die Maske bis zum Gipfel anlassen. Allgemein gilt in Ischgl keine Mundschutzpflicht, außer in Supermärkten oder Apotheken. Auf der Bergstation angekommen, spazierten wir zu einer Berghütte, wo wir auf der Terrasse die besten Tiroler Spezialitäten zu Mittag genossen. Von Kasspatzln über Tiroler Gröstl bis zum Kaiserschmarren blieb kein Wunsch unerfüllt. „So genießt man’s Leben“, dachte ich mir und atmete die frische Bergluft tief ein. Ich war angekommen. Ich alter Strand-Fan, dem niemals in den Sinn gekommen wäre, im Sommer mal in die Berge zu fahren. Angeschlagen und etwas müde von der langen Anreise wollten wir nach dem Essen wieder zurück ins Tal. Unser Plan sah vor, die Gondel zu nehmen. Doch das Wetter war einfach zu schön, die Berge zu einladend. So beschlossen wir kurzerhand, zu Fuß zu gehen. Wir trugen zwar alle Straßenschuhe und definitiv keine Wanderkleidung, aber das hielt uns dann auch nicht mehr von der Talwanderung ab. Die ganz Motivierten gingen die komplette Strecke, der andere Teil der Gruppe nahm die Gondel bis zur Mittelstation und stieß dann dazu, um die letzten paar Kilometer gemeinsam zu bewältigen. Schmale Wege aus Geröll, Kieselsteinen, Sand oder verwachsenen Baumwurzeln machten aus dem, was eigentlich ein entspannter Spaziergang sein sollte, eher ein Abenteuertrail. Passend dazu hieß die Strecke auch „Erlebniswanderweg“, das hätte uns im Vorfeld schon stutzig machen müssen. Die zweistündige Wanderung, bei der wir mit überwältigenden Ausblicken über die österreichische Gebirgskette verwöhnt wurden, war jeden noch so schweißtreibenden Meter wert.