Weltweit sterben jedes Jahr Zehntausende Kleinwale als ungewollter Beifang in Fischernetzen. Mit seiner Erfindung will der Meeresbiologe
Boris Culik das ändern und erntet dafür auch Kritik.
Scholle, Steinbutt, Scampis – alles echte Delikatessen. Rezepte für die schmackhafte Zubereitung gibt es reichlich, eins köstlicher als das andere. Doch wie die Meerestiere gefangen werden und welche anderen Lebewesen dabei zu Schaden kommen, blenden wir oft aus. Dabei sind die Zahlen öffentlich: Laut WWF gehen weltweit jedes Jahr rund 300.000 Kleinwale, darunter auch Delfine, der Fischerei ungewollt als sogenannter „Beifang“ ins Netz und sterben. Schuld sind die Fangmethoden der Fischer: Wale sind Säugetiere und müssen regelmäßig an die Wasseroberfläche, um Luft zu holen. Verfangen sie sich jedoch in Schlepp- oder Standnetzen, ersticken sie. Größeren Tieren mag es zwar gelingen, sich vom Netz loszureißen, oft verletzen sie sich allerdings dabei oder tragen Reste des Netzes in ihren Flossen oder am Kopf mit sich herum.
Einer, dem der Beifang von Kleinwalen nicht egal ist, ist Dr. Boris Culik. Der studierte Meeresbiologe arbeitete früher am Geomar Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Mittlerweile hat er eine Firma gegründet, mit der er ein von ihm entwickeltes Produkt vermarktet, das den Schutz von Schweinswalen in Regionen wie der Ostsee, in denen mit Standnetzen gefischt wird, sicherstellt: den sogenannten PAL, Porpoise Alert, auf Deutsch Schweinswal-Alarm. Das Gerät sendet Klicklaute, die waleigene Warnlaute imitieren. Diese sollen die Wale davon abhalten, in die Netze zu schwimmen.
Seit mehr als zwanzig Jahren forscht Culik zum Thema Schweinswale. Mehrere Bücher über Pinguine und ein Fachbuch über die zahlreichen Arten der Zahnwale, zu denen auch die Schweinswale gehören, hat er verfasst. Doch auf die Frage, wie man Schweinswale davon abhält, in die Fischernetze zu schwimmen, hat er lange keine Antwort gefunden. „Zuerst haben wir mit Vergrämungsgeräuschen gearbeitet, also Tönen, die für die Wale unangenehm sind“, erzählt er. Das Problem mit den unangenehmen Geräuschen sei aber Folgendes: Sie halten die Tiere zwar fern, verkleinern aber damit ihren Lebensraum erheblich, weil die Wale die betreffenden Regionen auch später meiden. „Wenn alle Fischernetze diese Vergrämungsgeräusche senden würden, würde wohl kaum noch etwas übrigbleiben, wo Schweinswale ihrem natürlichen Leben nachgehen können.“
Die zweite Methode, die Culik mit seinen Kollegen ausprobierte, hatte mit den Netzen selbst zu tun. Die Idee war, ein Material auszuwählen, das von Walen schon von Weitem erkannt wird. Ähnlich wie Fledermäuse finden sich Zahnwale nämlich durch Echoortung zurecht: Sie senden Klickgeräusche aus und warten auf das anschließende Echo ihrer eigenen Geräusche. So ermitteln sie Standorte ihrer potenziellen Beute und können sogar anhand der Beschaffenheit der Echos ausmachen, um welche konkrete Sorte von Beute es sich dabei handelt.
Leider hat es niemals ein unabhängiges Monitoring gegeben, das untersucht hat, ob mit den Geräten an der Schleswig-holsteinischen Küste weniger Tiere in Netzen verenden als ohne die PAL-Geräte. In Anbetracht der nach wie vor hohen Totfundzahlen zweifeln nicht nur Naturschützer sondern auch Wissenschaftler an den Geräten, die Prof. Culik weltweit verkaufen möchte.
Sicher ist, dass Tauchenten von den Geräten nicht profitieren und viele von ihnen ebenfalls in den Stellnetzen verenden. Der NABU spricht sich daher für die Entwicklung neuer Fangmethoden aus, die für Fischer und Naturschutz eine Win-Win-Situation bringen sollen. Zugleich sollen taubmachende Lärmquellen wie z.B. Sprengungen und Speedboote in den sensiblen Zeiten und Regionen verboten werden, denn daran ertauben die Wale, die dann die Netz nicht mehr orten können. Dann sterben auch nicht mehr so viele Tiere in den Netzen. Zugleich sollten 50% der Meeresschutzgebiete nutzungsfrei werden.