Der Film „Le Chemin du Bonheur“ handelt von der Magie des Kinos und den Möglichkeiten, mit dem Trauma des Holocausts umzugehen. Ein Gespräch mit dem Regisseur und Produzenten Nicolas Steil.
Herr Steil, der Filmregisseur Wim Wenders hat einmal gesagt, der Ursprung eines Films sei ein Traum. Nicht zufällig wurden die Studios auch „Traumfabriken“ genannt. Die Dreharbeiten zu „Le Chemin du Bonheur“ wurden 2020 von der Pandemie unterbrochen. Ein Albtraum. Wie schwer traf es das Filmteam?
Es war im Herbst 2020. Wir hatten uns jeden Tag testen lassen, zweimal pro Woche mit einem PCR-Test. Ein aufwändiges Unterfangen, schließlich hatten wir ein großes Team von etwa 150 Leuten. Vor der letzten Drehwoche hier in Luxemburg hat es plötzlich überall gepiepst. Wir schauten einander an, und einer nach dem anderen erhielt die Nachricht: „Vous êtes positif!“ Es waren mehr als 50 Prozent der getesteten Personen, auch ich selbst. Am Tag danach erhielten wir die Ergebnisse, die alle negativ waren. Wir ließen uns wieder testen, wieder negativ. Dann ging die ganze Diskussion los, ob der Test nicht etwa fehlerhaft war. Wir bekamen danach einen Brief von der Santé mit der Aufforderung zum Drehstopp. Das betraf nicht nur das Team, sondern auch die Angehörigen, also mehr als 500 Personen.
Was bedeutet das für eine Filmproduktion? Schließlich heißt es: Zeit ist Geld.
Nicht nur Zeit. Es geht auch um die Disponibilität von Schauspielern und Technikern. Wir stellten fest, dass wir einen großen Teil von ihnen verlieren würden. Das war schlichtweg katastrophal. Die Santé kam uns entgegen, indem sie die Leute hier aus dem Land samstags zu sich ins Labor einlud, um nochmal einen Test durchzuführen. Negativ. So konnten wir weiterarbeiten. Insgesamt hatten wir vier Tage verloren. Aber nicht nur das, sondern auch die Verschiebung war das Problem. Denn ein Tag der Dekors in Belgien, für die wir Autorisationen hatten, zum Beispiel die Grand Place, fiel weg, so dass wir zwei Tage weniger drehen konnten und etwas im Drehbuch ändern mussten. Wir waren an dem Tag fertig, bevor in Belgien alles schließen musste. Das Ganze hat uns mindestens 350.000 Euro gekostet.
Wenn Sie das erzählen, muss ich an „La Nuit américaine“ von François Truffaut denken. Der schildert die Strapazen bei Dreharbeiten.
Unser Film war nicht ganz einfach zu drehen. Schließlich handelt es sich um zwei Zeitebenen: Die eine spielt in den 80er Jahren und die andere in den 40ern in Wien und in Brüssel. Ebenso was die Kostüme betrifft, schließlich mussten auch die Komparsen anders angezogen und geschminkt werden. In Belgien war das teils ziemlich surrealistisch, zum Beispiel als wir die Szene auf der Grand Place in Brüssel mit rund 150 Leuten drehten. Wir hatten ein Modus Vivendi mit verschiedenen „Bulles“, in der jeweils zehn Personen Platz fanden. Eine „Bulle“ musste zwei Meter von der anderen entfernt sein. So haben wir einige mit Spezialeffekten dupliziert. Es gehörte eine gehörige Menge Improvisation dazu. Ich bin ein Regisseur, der nicht viele Takes macht. Dafür sind die Schauspieler gut vorbereitet. Das klappte gut. Auch wenn verschiedene Dekors wegen Covid nicht verfügbar waren. Allgemein ist es heutzutage nicht einfach, besonders in Luxemburg, geeignete historische Dekors zu finden. Für „Le Chemin du Bonheur“ fanden die Innenaufnahmen, die in einem Delikatessenrestaurant spielen, alle hier in Kehlen im Studio, der Rest in Brüssel und in Wallonien statt.
In dem Film geht es, wie gesagt, um den Traum vom Kino und um das, was es mit den Menschen macht. Ist es ein Cineasten-Film?
Das kann man so sagen. Es geht um drei Teile in dem Film, zu denen wir auch jeweils eine Konferenz organisieren. Ein Teil ist historisch über „Les enfants cachés“, wie übrigens auch der Film im Film heißt, die versteckten jüdischen Kinder, die von ihren Eltern während des Krieges in den Zug gesetzt wurden, weil es keinen anderen Weg mehr gab, um dem KZ zu entkommen. Viele der Kinder glaubten zuerst, ihre Eltern hätten sie aufgegeben. Was für die Kinder schrecklich war. Der Drehbuchautor Henri Roanne-Rosenblatt war lange wütend auf seine Mutter. Diese Kinder waren bei Familien in Brüssel versteckt. Einige wurden von den Nazis entdeckt, andere überlebten bis zur Befreiung. Das ist der historische Aspekt.
Auch hier muss ich wieder an einen Truffaut-Film denken: „Le Dernier Métro“ mit Catherine Deneuve und dem jungen Gérard Depardieu.
Da sind wir schon beim cineastischen, dem kulturellen Teil der Konferenzen. Der Junge im Film hat das Leben im Kino entdeckt, das er mit seiner Adoptionsmutter besucht hatte. Selbst konnte er nicht in die Schule gehen, weil er sich verstecken musste. Das Kino wurde so seine Schule des Lebens. In eine richtige Schule konnte er nicht gehen. So waren das Imaginäre für ihn die Schule, die Bücher und das Kino. Und so entwickelte sich auch seine Liebe zum Kino. Die dritte Konferenz ist der psychologische Teil. Dabei geht es um die Narben im Gedächtnis, um die Traumata, aber auch um die Resilienz, um das positive Verschaffen negativer Erlebnisse. Der Junge im Film fühlte sich aufgegeben von seinen Eltern, aber auch von seinen Adoptiveltern, die auch Juden waren, aber sagten, es sei jetzt zu riskant. Wieder hatte er das Gefühl des Aufgegeben-Seins.