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Die Kunst des Verzichts

Weniger ist tatsächlich weniger. Zumindest, was den Hausmüll betrifft. Ein nahezu müllfreies Leben ist mit Unverpacktläden und Knowhow möglich. Das Zauberwort heißt precyceln: Unnötige Abfälle bereits beim Kauf vermeiden und nur Unumgängliches recyceln.

Text: Françoise Stoll / Fotos: Philippe Reuter, Isabella Finzi (Editpress), privat-Archiv

Eine geschälte Orange in einer Plastikbox, die kürzlich im Angebot einer US-amerikanischen Supermarktkette stand, ist wahrscheinlich das beste Sinnbild für den heutigen Verpackungsirrsinn. Wer ehrlich zu sich selbst ist, gesteht ein, dass es bei uns nicht sehr viel besser aussieht, sind Bio-Obst und -Gemüse doch stets eingeschweißt in den Regalen vorzufinden. Manche Produkte sind aus Hygienegründen abgepackt, meistens steckt jedoch ein finanzielles Motiv dahinter. Die Hüllen sind nicht nur übergroß und diebstahlsicher, sie kosten auch extra. Kein Wunder, dass die Restmülltonne Woche für Woche überquellt.

Jährlich werden im Großherzogtum 540 Kilogramm Müll pro Kopf produziert (Stand 2014), ein Drittel davon besteht aus Verpackungen. Allerdings werden Inert-Abfälle bei dieser Hochrechnung nicht berücksichtigt. Der Rest bleibt eine Dunkelziffer. Eine Alternative zum Wegwerfwahn hierzulande existiert dank „Ouni“. Das bedeutet nicht nur „ohne“, sondern steht außerdem für „Organic Unpackaged Natural Ingredients“.

„Ohne Kassenzettel wäre das Glas fast leer.“
Laura Faust

Der Name ist Programm. Im ersten Unverpacktladen Luxemburgs wird auf plastikarmes, bedarfsgerechtes Einkaufen gesetzt. Die Produkte sind möglichst lokal, fair gehandelt, biozertifiziert und werden in Baumwollsäcken oder Ähnlichem geliefert. Trockenwaren und Gewürze gibt es aus sogenannten „Bulk Bins“, länglichen Spendersystemen, oder lose. Sie können je nach Bedarf abgefüllt werden: in eine Dose, Flasche, ein Weckglas oder was man gerade von zu Hause mitbringt. Wie im klassischen Tante-Emma-Laden von früher wird das Leergewicht der Behälter vorher ermittelt, fertig. Das alte Verkaufskonzept mit Stofftasche, Beutel und Co. erlebt seine Renaissance.

Mehr als ein Supermarkt: „Ouni“ ist eine Gemeinschaft, bestehend aus Patricia Tompers (l.), Anne Jacoby (r.) und 250 aktiven Mitgliedern.

Wer verpackungsfrei lebt, wird nicht länger von bunten Farben und andere Werbetricks verleitet. Mogelpackungen wie Impulskäufe bleiben automatisch aus. Der Blick wird auf das Produkt an sich gelenkt, was man tatsächlich braucht und wie viel davon. So wirkt man ebenfalls der Lebensmittelverschwendung entgegen. Doch wie wird man zum „Zero Wastler“?

Eine Umstellung ist immer ein langwieriger Prozess.

Schritt für Schritt, da sind sich „Ouni“-Mitbegründerin Patricia Tompers und Workshop-Leiterin Laura Faust einig. Ein radikaler Einstieg führe nur zu Frust. Erst einmal sollte man aufbrauchen, was man noch im Haus hat. Wahlloses Wegschmeißen nutzt niemandem. Eine Umstellung ist immer ein langwieriger Prozess. „In manchen Monaten produziert man kaum Müll, in anderen ist die Tonne wieder halbvoll“, gibt Patricia zu, davon dürfe man sich aber nicht unterkriegen lassen. Jede Verpackung weniger ist, ihrer Meinung nach, ein Erfolg.

„Zero Waste“ im Bad: Die Teilnehmer bereiten Naturkosmetikprodukte wie Mascara, Lippenpflege, Rouge, aufgeschlagene Bodybutter, Deo und Körperpeeling unter Lauras Leitung her.

Laura, ihre Kollegin aus Saarbrücken, strebt bereits seit 2012 nach einem müllfreien Dasein. Die Abfälle, die sie über Monate hinweg sammelt, passen in ein einfaches Schraubglas. „Ohne Kassenzettel wäre das Glas fast leer“, ärgert sich die 30-Jährige. Quittungen bestehen nämlich aus Thermopapier, sind mit gesundheitsschädlichem Bisphenol A (BPA) beschichtet und gehören damit in den Restmüll. „Als Kunde hat man da keine Wahl, der Beleg wird so oder so ausgedruckt. Entweder man nimmt ihn mit oder die Kassiererin wirft in gleich weg“, fügt die Minimalistin hinzu.

Bis auf die Kassenbons gäbe es jedoch nichts, was derart unvermeidbar sei. Wer sich in Sachen „Zero Waste“ versuchen möchte, sollte lernen „nein, danke“ zu sagen und nicht jede Tüte an der Tanke anzunehmen, Dinge wiederzuverwenden, Nachfüllpackungen zu benutzen und selber zu kochen, statt Fertiggerichte zu verzehren. Sogar Reinigungsmittel und Kosmetik kann man ohne großen Aufwand eigenhändig herstellen. Besonders praktisch sind Kernseife, Zahnputztabs, festes Shampoo wie Deodorant. Denn die Artikel lassen sich beim Verreisen problemlos im Handgepäck transportieren, ohne lästigen Flüssigkeitscheck am Flughafen. Es stimmt also: „Less waste, less worries“.

www.ouni.lu

Martine Decker