Zehn Jahre nach dem Tsunami haben Hunderte von Menschen mit der Hilfe des Luxemburger Roten Kreuzes in einem sri-lankischen Fischerdorf eine neue Existenz aufgebaut. Längst nicht alle Überlebenden der Katastrophe ging es so.
Die Leichen waren gerade beseitigt worden, als Christophe Dupont in Beruwala eintraf. Der Projektleiter vom Roten Kreuz Luxemburg kam etwa zehn Tage nach dem Tsunami in Sri Lanka an, dem verheerendsten Tsunami aller Zeiten. Am frühen Morgen des 26. Dezember 2004 löste vor Sumatra ein Seebeben der Stärke 9,2 auf der Richterskala die riesige Flutwelle aus, die die Küsten mehrerer Anrainerländer des Indischen Ozeans wie Thailand, Indonesien und Sri Lanka überrollte. Ganze Landstriche wurden zerstört, etwa 230.000 Menschen starben, mehr als eine Million verloren ihr Zuhause.
Dupont war schon damals erfahren als Katastrophenhelfer. Ob bei Überschwemmungen oder Erdbeben, seine Einsätze für führten den Franzosen unter anderem nach Armenien und Haiti sowie in südamerikanische Länder. „Der Tsunami war anders. Er hat die Küste in einer Breite von etwa zweihundert Metern getroffen“, sagt er. „Dort wurde alles zerstört, Boote an Land gespült – und ein paar hundert Meter weiter war nichts. Bei einem Erdbeben hingegen ist das ganze Gebiet des Bebens zerstört.“

(Foto: Croix Rouge)

Neubeginn: Viele Betroffene haben beim Wiederaufbau mitgewirkt. Sie erhielten eine feste Bleibe. Zehn Jahre später hat sie Christophe Dupont wieder besucht. (Foto: Croix Rouge)
Für die Helfer galt es, keine Zeit zu verlieren. Keine 24 Stunden. „Wir mussten schnell mit dem Räumen und dem Wiederaufbau der Häuser beginnen“, erinnert sich Dupont. Überall lagen Trümmer und Schlamm. Einige Fischerboote waren weit an Land gespült worden. Sie waren nur noch Wracks. Die Küstenzone glich einem Schlachtfeld. Zahlreiche Verletzte mussten versorgt werden, andere wiederum brauchten psychologische Betreuung. Das Rote Kreuz Luxemburg startete eine Spendenaktion. Insgesamt kamen 3,86 Millionen Euro zusammen: mehr als 2,6 Millionen Euro durch Spenden, 1,2 Millionen Euro vom luxemburgischen Staat. Die Helfer hatten schwere Arbeit zu verrichten. Die von der Katastrophe heimgesuchten Einwohner der Insel mussten wieder ermutigt werden. Sie waren zudem seit 1983 einem Bürgerkrieg ausgesetzt, der bis 2009 dauerte und dem zehntausende Menschen zum Opfer fielen. (Foto: Ute Metzger)
Die Menschen waren demoralisiert. „Mehrere Hilfsorganisationen waren nach Beruwala gekommen und hatten den Ort wieder verlassen, ohne wiederzukehren“, erzählt Dupont. „Neu war die Art und Weise, wie die Häuser entstanden“, sagt der Katastrophenhelfer. „Wir ließen Sie von den Hilfsempfängern selbst wieder aufbauen. Dabei gab es drei Szenarien: Das Haus dort zu rekonstruieren, wo die Familien gelebt haben, an einem anderen Ort zu bauen, oder den Betroffenen ein Haus zu schenken, das unter Anleitung eines Architekten gebaut wurde.“
Duponts Aufgabe in den Jahren 2005 und 2006 war es, sich im Auftrag der des Roten Kreuzes um die ersten beiden Fälle zu kümmern, also die Häuser von den Katastrophenopfern selbst bauen zu lassen.
„Die neuen Häuser waren stabil. Sie hielten einem Tornado stand.“ Christophe Dupont
„Diese hatten übrigens keinerlei Erfahrung im Maurerhandwerk“, sagt er. „Umso erstaunlicher war es, dass sieben Wochen später die ersten festen Häuser bezugsfertig waren – mit Salon, Schlafzimmer, Küche und Toilette.“ Auf diese Art und Weise gelang es dem Roten Kreuz, 800 Häuser zu errichten. Jedes kostete uns durchschnittlich 6.200 Euro. Etwa 170 Familien konnte damit geholfen werden. Die Häuser, ursprünglich nahe an dem 3,5 Kilometer langen Strand, wurden weiter landeinwärts erstellt. „Die neuen Häuser erwiesen sich als sehr stabil“, weiß Dupont sehr zu berichten. „Sie hielten einem schweren Tornado stand. Es war eine Art Crash-Test.“
Christophe Dupont hat Beruwala Mitte 2006 verlassen. Danach war er für das luxemburgische Croix Rouge in Haiti nach dem Erdbeben. Im Oktober dieses Jahres ist er für zwei Wochen nach Srik Lanka zurückgekehrt. Was er sah, hat ihn beeindruckt: „Die Dankbarkeit der Menschen zehn Jahre danach war außergewöhnlich. Sie hatten wieder ein Haus. Ein Haus, das sie später ihren Kindern überlassen können. Sie fühlten sich geehrt, dass man sie nicht vergessen hatte. Ich erinnere mich noch an das Lächeln in den Gesichtern, der Erwachsenen, die Alten ebenso wie der Kinder. Es ist schon lange her, dass ich so etwas gesehen habe.“
Der 64-Jährige spricht von der Würde der Menschen, die er traf. Er erzählt von Indunil, einem Fischer, der mit seiner Frau und zwei Kindern in seinem damals neu erbauten Haus lebt. Vor dem Tsunami lebte er in einer Holzhütte am Strand. Sein neues Haus ist aus Stein. Sein neues Leben ist ein ganz anderes als früher. Als Fischer lebte er in extremer Armut am Rande der Gesellschaft. Anderen Überlebenden der Naturkatastrophe aus Beruwala geht es ähnlich. Einige haben jedoch das neue Haus vermietet und sind in eine Holzhütte zurück an den Strand gezogen.
Mit Spendengeldern wurde zudem auch rund 1.800 Fischern geholfen, die im Norden von Indonesien, in der Region Aceh, beim Tsunami einen Großteil ihrer Boote verloren hatten. In Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz gelang es, 17 neue Boote zu bauen. Doch längst nicht allen Überlebenden der Katastrophe hat die internationale Spendenflut unvorstellbaren Ausmaßes nach dem Tsunami Glück gebracht. In Indien und Sri Lanka zum Beispiel floss Geld in Umsiedlungsprojekte, bei denen Einheimische aus ihrem Gebiet vertrieben wurden, damit an der Küste Traumstrände und Luxusressorts für Touristen entstehen konnten. Die früheren Fischer leben heute als Tagelöhner im Hinterland. Nicht so im Fall Beruwala, wo das Rote Kreuz Schritt für Schritt den Einsatz und Verwendung der Spendengelder überwachte. „Das Geld der luxemburgischen Spender ist gut angelegt“, weiß Dupont. „Den Menschen wurde eine Zukunft gegeben. Die Zukunft existiert.“

Existenzgrundlage: Mit Hilfe des Roten Kreuzes wurden in der thailändischen Region Aceh Fischerboote gebaut. (Foto: Croix Rouge)

Aufbauhilfe: Den Menschen in den betroffenen Gebieten wurde neuen Mut gemacht. (Foto: Croix Rouge)