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Edito: Komplexe Frage

Rund 58.000 Dateien von sexuellen Missbrauchsdarstellungen von Minderjährigen wollen die Ermittler auf dem Computer des Schauspielers Florian Teichtmeister gefunden haben. Der Schauspieler hat sich mittlerweile schuldig bekannt und wird sich am 8. Februar vor Gericht verantworten. Der ORF hat bereits angekündigt, sämtliche Filme mit Teichtmeister aus dem Programm zu nehmen. Die Kinokette Cineplexx hat die Sisi-Verfilmung „Corsage“, bei der Teichtmeister den Kaiser Franz Joseph spielt, aus den Kinosälen verbannt.

Neben der Tatsache, dass der Kinderporno-Skandal sicherlich auch auf den Film abfärbt und dadurch wahrscheinlich auch die Chancen des österreichischen Kandidaten für die Auslands-Oscars zumindest leicht kompromittieren dürfte (schließlich sind Jurymitglieder weder taub noch blind), stellt sich die Frage: Darf man Künstler und ihr Werk trennen? Hat das Privatleben eines Künstlers direkt etwas mit seiner Arbeit zu tun oder nicht? Wie soll man mit dem Werk eines Künstlers umgehen, der Gesetze gebrochen hat? Diese Fragen sind alles andere als neu. Allerdings stellen sie sich jedes Mal, wenn ein Skandal rund um einen Künstler, egal ob er Schauspieler, Musiker oder Maler ist, an die Öffentlichkeit gelangt.  

Die Frage ist natürlich nicht ganz einfach zu beantworten, wie sich zum Beispiel anhand von Michael Jackson zeigt. Als 2019 in der Dokumentation „Leaving Neverland“ der Vorwurf des sexuellen Kindesmissbrauchs gegen den Sänger erhoben wurde (den Verdacht gab es natürlich schon länger), war der Aufschrei groß, und einige Radiosender boykottierten die Lieder des „King of Pop“. Dennoch ist unbestritten, dass Jackson einige große Popsongs interpretierte und er selbst eine schillernde Kunstfigur war, die eine ganze Ära geprägt hat. Auch heute noch wird er von Musikern und Künstlern zitiert oder dient als Inspiration. Entschuldigt dies seine Taten? Keineswegs, es zeigt nur, wie komplex angemessene Reaktionen in solchen Fällen sind. 

Der britische „Guardian“ hatte im Zuge der Jackson-Dokumentation geschrieben, dass „großartige Kunst auch von schrecklichen Menschen gemacht werden kann“ und dass man als Konsument keineswegs davon ausgehen solle, dass ein guter Künstler auch automatisch das Gute verkörpere. Wahrscheinlich liegt hier der springende Punkt, der Konsum von Kunst in jeglicher Form sollte reflektiert passieren. Sprich: Jackson war ein talentierter Popsänger, aber auch Täter. Teichtmeister ein guter Schauspieler, aber auch Täter.

Hubert Morang

Stellvertretender Chefredakteur

Ressorts: Politik & Wirtschaft, Multimedia

Dario Herold