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Farbenprächtige Körperkunst

Es ist ein Spiel mit Körper und Farbe, das Bodypaint-Künstlerin Lynn Schockmel mit viel Geschick und Talent meistert. Mehrmals hat sie es in den letzten zehn Jahren auf internationalen Meisterschaften bereits bis ganz oben aufs Siegertreppchen geschafft.

Die Kunst der Körperbemalung ist eigentlich so alt wie die Menschheit selbst. Schon in der Urzeit wurden Gesicht und Körper mit Kriegsbemalung gekennzeichnet oder zur Tarnung für die Jagd mit Pigmenten bedeckt. Eine primitive Schminktechnik, die eher praktische als ästhetische Gründe hatte. Heute spricht man eher von Kunst oder Performancekunst, wenn das Thema Bodypainting erwähnt wird. Sie besteht darin, die Leinwand des Malers durch einen menschlichen Körper zu ersetzen.

„Wie ein Modedesigner erstelle ich zuerst eine Skizze.“ Lynn Schockmel, Bodypaint-Künstlerin

„Noch bevor ich sprechen konnte, habe ich schon gemalt“, erinnert sich Lynn Schockmel amüsiert. „Ein Blatt und ein paar Buntstifte haben als Kind gereicht, um mich ruhigzustellen“, gesteht sie lachend. Auch wenn sie sich in erster Linie nicht für einen künstlerischen Beruf entscheidet, hat die 36-jährige Erzieherin im Laufe der Jahre ihr Talent, sozusagen als Autodidaktin, weiterentwickelt. Von Kind an bringt ihre künstlerische Neugierde sie immer wieder dazu, sich auf eine neue artistische Art und Weise auszudrücken und neue Techniken zu erforschen. Immer wieder strebt sie danach, ihre Fähigkeiten noch eine Etappe weiter zu entwickeln. So entdeckt sie vor ungefähr zehn Jahren durch Zufall eine neue, spannende, künstlerische Herausforderung: Gesichtsbemalung für Kinder. „Anfangs habe ich mich in Büchern und im Internet umschaut und die Face-Paintings einfach kopiert. Aber das hat mir dann irgendwann nicht mehr gereicht“, erinnert sich die junge Frau. „Ich empfand den Drang, Techniken zu erlernen, um meine kreative Arbeit regelrecht zu verfeinern und natürlich effizienter zu machen.“ In Luxemburg wird sie nicht fündig und so nimmt sie an Ausbildungskursen und Workshops im Ausland teil. Dort entdeckt sie einen Kunststil, der ihr bis dahin eher unbekannt war und sie trotzdem vom ersten Augenblick an faszinierte. Eine regelrechte Inszenierung des menschlichen Körpers als Kunstobjekt, bei der die junge Luxemburgerin, wie aus einem Impuls heraus spürt, dass sie diese Neuentdeckung weiter erforschen muss. Um die unterschiedlichen Facetten des Bodypaintings zu entdecken und vielleicht in diese Branche einzusteigen, gibt es seit 1998 in Europa nur einen einzigen Ort, den die Meister der Körperbemalung jedes Jahr heimsuchen, das „World Bodypainting Festival“ in Österreich. Laut Veranstalter „das bunteste Event der Welt“, wo neben zahlreichen Workshops und Shows auch dieses Jahr im Juli wieder die Weltmeisterschaft der besten Körpermaler stattfindet. „Künstler aus aller Welt kommen jedes Jahr dort hin“, verrät Lynn Schockmel. „Die Crème de la Crème! 2009 habe ich dort in einem Workshop meine allererste Ganzkörperbemalung gemacht.“ Und nur ein Jahr später schreibt sie sich trotz weniger Erfahrung für die Weltmeisterschaft ein. „Natürlich habe ich nur einen der letzten Plätze belegt“, verrät sie lachend. „Ich hatte ja fast keine Ahnung, wie man solch eine Meisterschaft angeht und was die Jury hauptsächlich erwartet.“

making-off---Model-Yaya-Vader-(1)-_MG_4225-EditBodypainting ist eine äußerst akribische und kreative Disziplin, die mit viel Geduld verbunden ist. Wer gegen die renommiertesten Meister antreten will, kann sich keine artistischen Improvisationen erlauben. Alles muss fast millimetergenau geplant und getestet werden. „Wie ein Modedesigner erstelle ich zuerst eine Skizze“, erklärt Lynn. „Dann wird mindestens zweimal an einem Model geübt, um festzustellen, ob auch wirklich alles klappt, wie ich es mir vorgestellt habe.“ Die Kunst der Körperbemalung verlangt nicht nur Kreativität und ein Talent fürs Zeichnen, es erfordert, was man als räumliches Vorstellungsvermögen bezeichnen könnte. „Es ist schon ein riesiger Aufwand und ein unheimlicher Druck“, gibt die Künstlerin zu. Während einer Meisterschaft müssen sich die Teilnehmer zusätzlich an die angegebenen Themen halten und verschiedene Techniken anwenden, um ihr Können unter Beweis zu stellen. „Die Farbe kann zum Beispiel mit einem Airbrush aufgetragen werden oder mit einem Schwamm und einem Pinsel. Persönlich bevorzuge ich letztere dieser beiden Techniken. Mit dem Pinsel lässt sich die Haut besser verdecken.“

Für die farbintensive Körperkunst werden spezielle Farben benutzt, die dermatologisch getestet wurden und daher hautverträglich sind. Wasserfarben, Acrylfarben und jede Produkte, die nicht für diesen Zwecke geeignet sind, sollten auf jeden Fall vermieden werden. „Diese Farbprodukte enthalten Giftstoffe und können die Hautatmung verhindern“, warnt die Bodypainterin. „Das Resultat sieht auch nicht optimal aus. Die Farbe bröckelt ab oder sie haftet nicht an der Haut.“

„Jeder Muskel kommt beim Bodypainting zum Einsatz.“ Lynn Schockmel, Bodypaint-Künstlerin

Ein anderer Aspekt ist die körperliche Anstrengung, die erfordert wird, wenn man weiß, dass manche Körperbemalungen mehrere Stunden dauern können. „Jeder Muskel kommt hier zum Einsatz“, verrät sie lachend. Die Lust und die Freude an ihrer Kunst kann ihr aber nichts und niemand verderben, auch wenn es schlussendlich nur eine vergängliche Kunst ist. „Das stört mich eigentlich weniger. Es bleibt ja das Foto. Das reicht mir“, behauptet die junge Frau. Weniger gelassen gibt sie sich dagegen, wenn es darum geht, Vorurteile abzubauen. Es gibt immer noch Leute, die glauben, Bodypainting hätte etwas mit Sex oder erotischen Spielen zu tun. „Es ist Kunst“, möchte Lynn Schockmel klarstellen. „Es stärkt bei den meisten Menschen das Selbstvertrauen. Und niemand braucht sich komplett auszuziehen. Die Models tragen ein Bikini, hautfarbene Unterwäsche oder Latex-Prothesen, um die Brüste zu kaschieren. All dies lässt sich problemlos in die Körperbemalung integrieren.“

Ihre zahlreichen Bemühungen und Entschlossenheit haben sich im Laufe der Jahre auf jeden Fall bezahlt gemacht. Für ihre Arbeit hat sie mehrere Anerkennungen erhalten, darunter den ersten Preis beim „Face- and Bodypainting Festival“ in Gibraltar und beim „Brussels International Fantastic Film Festival“ in Brüssel. Im Oktober letzten Jahres siegte sie in Serbien auf dem „Bodyart Festival Serbia“ in der Kategorie „Face Painting“ und schaffte es in der Gruppe „Bodypainting“ auf den zweiten Platz.

„Es ist natürlich die Bestätigung, dass ich eine gewisse Technik beherrsche. Es ist aber auch eine Herausforderung, die mich zwingt, aus mir heraus zu gehen, weil ich mich mit neuen Ideen und Techniken auseinandersetzen muss. Eine echte Challenge!“ Hauptberuflich möchte die junge Frau als Bodypaint-Künstlerin trotzdem nicht tätig werden. „Ich brauche einfach zu viel Abwechslung im Leben.“

Weitere Informationen finden Sie unter www.body-art.lu

Fotos: Marco Mazzini Models

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Jérôme Beck

Journalist

Ressorts: Wissen, Lifestyle

Martine Decker