So oft die Kaiserthermen in Trier oder die Klagemauer in Jerusalem bereits abgelichtet wurden, Alfred Seilands Aufnahmen des ehemaligen „Imperium Romanum“ zeigen etwas Neues vom architektonischen Erbe Roms.
Es war Zufall. Als Alfred Seiland 2006 den Auftrag bekommt, für das „New York Times Magazine“ die Dreharbeiten der TV-Produktion „Rome“ zu fotografieren, packt der Fotograf seine analoge Großformatkamera ein und fliegt in die Cinecittà-Studios nach Rom. Dort wird er Zeuge, wie unter der Anleitung erstklassiger Wissenschaftler jede Requisite historisch getreu nachgefertigt wird und sich ein zwei Hektar großes Filmset in eine Stadt verwandelt, die man für authentisch hält. „Man musste gegen die Kulissen klopfen, um echten Marmor von Kunstharz zu unterscheiden“, so der 1952 in der Steiermark geborene Österreicher.
Von den bislang größten und teuersten Fernsehkulissen sind inzwischen wichtige Teile abgebrannt. Geblieben sind die Serie und erste Bilder einer langen fotografischen Recherche. Alfred Seiland reist rund um das Mittelmeer und in die nördlichen Alpen, besucht Orte wie Neapel, Damaskus, Mainz und das Aesica Fort in England und fotografiert auch das im Stil eines römischen Herrscherpalastes errichtete Luxushotel „Caesars Place“ in Las Vegas. In Luxemburg wird der Professor für Fotografie an der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart auf die Villa Miecher bei Goeblingen und den Grabtempel in den Weinbergen von Bech-Kleinmacher aufmerksam.
Seit vielen Jahren reist Alfred Seiland mit seiner Großbildkamera an Orte, an denen das Imperium Romanum Geschichte geschrieben hat.
Was bei vielen Bildern auffällt: Nichts scheint inszeniert zu sein. Alfred Seiland fotografiert, was er sieht. Und wenn vor einer Ruine gerade Plastikstühle stehen, Touristen sich im einst mondänen Badeort der römischen Antike auf bunten Strandtüchern sonnen oder ein LKW vor einem Tempel parkt, wartet er nicht, bis sein Bildausschnitt „frei“ ist. Im Gegenteil. Weil er zeigen will, wie die Menschen von heute mit den Spuren der Antike leben und umgehen, gehören diese Dinge mit aufs Foto. Zwar gibt es eine genaue Vorstellung, wie das Bild aussehen soll, aber statt zu „arrangieren“, stellt Alfred Seiland sein Stativ lieber mehrmals an der gleichen Stelle auf. Und wartet geduldig auf den richtigen Zeitpunkt.
Die Ausstellung „Imperium Romanum“ macht auf recht humorvolle Art und Weise auf die Zerstörung der Antike durch die Moderne aufmerksam.
Wie unüberschaubar groß das Projekt sein würde, hat der Fotograf von Anfang an gewusst. Daher geht es ihm keinesfalls um Vollständigkeit. Für Archäologen sei seine Blickweise ein Gewinn. Das ist ihm wichtig. Dass viele Stätten der Antike sich selbst überlassen sind, im Verlauf von Konflikten zerstört werden oder als ganz gewöhnliche Ausflugsziele und sogar Picknickstellen dienen, tut Alfred Seiland natürlich weh. Allerdings ist ihm auch bewusst, dass ein Erhalten ohne Vermarktung nicht möglich ist. Kitsch hin oder her.