Nach den satten Jahrgängen 2009 und 2010, mit denen die Châteaus in Bordeaux sehr viel Geld verdienten, ist wieder Normalität eingekehrt. Dennoch sind Bordeaux-Crus auf stabilen Märkten wie Luxemburg nach wie vor sehr beliebt.
Bordeaux ist laut einer Umfrage von 2013 nach Paris die zweitschönste Stadt Frankreichs. Aus der unattraktiven, verstaubten Großstadt der 1980er Jahre ist eine wirklich schöne große Stadt geworden, eine touristische Attraktion. Darauf sind die Bordelaiser stolz – und natürlich auch Langzeit-Bürgermeister und Sechsfach-Minister Alain Juppé, der für den neuen Look der Gironde-Metropole maßgeblich verantwortlich ist.
Im April 2016, so ist es geplant, wird Juppé eine neue Attraktion einweihen: die „Cité des Civilisations du Vin“, ein riesiges Event-Haus – von Museum soll keine Rede sein –, das den Wein, die Weinregionen, die Weinmacher, kurz: die Welt des Weines feiern wird. Wo sonst könnte ein solcher Prunkbau rund um den Wein entstehen, wenn nicht dort, wo der Name einer Stadt Synonym ist für die Weinproduktion einer Anbaufläche, die sich über 120.000 Hektar erstreckt? Übrigens ist Prinz Robert von Luxemburg, der Vetter von Großherzog Henri, ein Hauptsponsor der „Cité des Civilisations du Vin“! Prince Robert ist Besitzer der Top-Châteaus Haut-Brion und La Mission Haut-Brion in Pessac sowie, seit 2011, Quintus (ehemals Tertre Daugay und L’Arrosée) in Saint-Emilion!
Für den eingefleischten Liebhaber ist Bordeaux eine Fundgrube fantastischer, ausgeglichener, langlebiger Weine.
Fest steht: Bordeaux, die Stadt, ist weltweit weniger bekannt als Bordeaux, die Weinregion. Auch wer kein Weintrinker ist, der weiß, dass es Bordeaux gibt. Für viele aber ist Bordeaux der Inbegriff für teure, unerreichbare Crus, die nur die Reichen sich leisten können: Mouton, Lafite oder Petrus, 500 bis 1.500 Euro die Flasche – wer kann sich das leisten? Andere Zeitgenossen können mit Bordeauxweinen nichts anfangen und haben womöglich ihre schlechten Erfahrungen gemacht mit gerbstoffreichen, adstringierenden Rotweinen, die für acht Euro noch zu teuer sind.
Unerreichbare Luxusgüter, unattraktive Gerbstoffbomben: zwei entgegengesetzte Pole. Dazwischen gibt es aber die Welt der echten Bordeaux-Fans: Für den eingefleischten Liebhaber ist Bordeaux eine Fundgrube fantastischer, ausgeglichener, langlebiger Weine, die wirklich einmalig sein können. Solche Fans kennen sich mit den Châteaus an der Gironde, an der Dordogne und der Garonne wirklich aus, manche wissen über die Terroirs, Rebsorten und Assemblagen so gut Bescheid wie die Weinmacher selbst. Naja, fast so gut…
Solche Fans besitzen selbstverständlich Flaschen der renommierten Crus: Pichons, Léovilles, vielleicht auch Pavies. Aber ein echter Weinfreund interessiert sich auch (oder gerade besonders!) für die zahlreichen exzellenten Bordeaux-Weine, die den Geldbeutel nicht arg strapazieren: gut gemachte Weine aus weniger bekannten Appellationen, die Spaß machen. Sie interessieren sich für den wirklich großen Wein eines kaum bekannten Produzenten, der alles richtig gemacht und einen edlen Nektar in die Flaschen gefüllt hat… Und wenn dieser Produzent nicht größenwahnsinnig wird und den Preis kaum erhöht, dann schlagen die echten Weinfans garantiert zu!
Für viele ist Bordeaux der Inbegriff für teure, unerreichbare Crus.
Das ist das Spannende an Bordeaux: In allen Jahrgängen findet man Crus, die besonders gelungen sind und mit teureren Gewächsen mithalten können, die aber nicht die Welt kosten. Echte Schnäppchen mit hervorragendem Preis/Leistungsverhältnis. Oft aber werden solche Weine vorerst kaum wahrgenommen – schon gar nicht im April bei den „Primeur“-Jungwein-Verkostungen, wenn die Presse und die Weineinkäufer aus aller Welt ihr Marathon veranstalten und zwischen Saint-Estèphe im Westen und dem Touristenstädtchen Saint-Emilion nordöstlich von Bordeaux hektisch hin- und her pendeln. Die einen vergeben Noten, die anderen haben ihre Not: In guten Jahrgängen gibt es von den guten Weinen nie genug, in schlechten von den meisten zu viele und viel zu teure.
Denn der Handel mit Bordeaux-Weinen ist längst nicht immer ein gutes Geschäft. Bordeaux hat viele Höhen und Tiefen erlebt. Die jüngste Hype-Periode waren die Jahre 2006 bis 2011: Der Jahrgang 2005 war der erste wirklich große nach dem „Millennium“-Jahrgang 2000; die Börsen hatten die Internetblase längst verdaut und die Chinesen und Russen entdeckten die Bordeaux-Weine als Luxusgüter. Die Preise stiegen und auch weniger gute Jahrgänge wie 2006 und 2007 wurden hoch gehandelt. Als sich die (wirklich) großartigen Jahrgänge 2009 und 2010 in den Barriques entwickelten, geriet die Szene außer Rand und Band: Weinkritiker-Gurus wie der Amerikaner Robert Parker verteilten großzügig Traumnoten, die Preise für die bekanntesten und begehrtesten Crus stiegen ins Astronomische. Für einige seltene Nektare wie Petrus (Pomerol) oder Ausone (Saint-Emilion 1er Grand Cru Classé A) mussten die Käufer „en primeur“ mehr als 1.000 Euro hinblättern. Die Flasche, versteht sich! Viele andere Châteaus zogen mit und erhöhten die – ohnehin schon hohen – Preise innerhalb zweier Jahrgänge um mehr als das Doppelte.

Es kommt nicht auf die Größe an: Die Weingüter im Pomerol-
Gebiet sind eher klein, produzieren aber hervorragende Crus.
Das Schöne an solchen Super-Jahrgängen wie 2010, der tatsächlich als grandios und vielleicht als der größte aller Zeiten bezeichnet werden darf: Auch weniger gut situierte Châteaus, die nicht über die besten Böden und auch nicht über bedeutende finanzielle Mittel verfügen, produzieren in solchen Jahren exzellente Weine, die nicht viel mehr kosten als zuvor. In solchen Jahrgängen machen weniger bekannte Crus sich einen Namen und finden eine neue Kundschaft. Das ist die Rache der „petits châteaux“ am Hype der Hemmungslosen.
Doch auf den Hype der Jahrgänge 2009 und 2010 folgte die Ernüchterung. 2011 hatte die Krise die Welt endgültig im Griff, das Geld wurde knapper. Parallel dazu wurden die Jahrgänge klimatisch bedingt normaler, schlichter: 2011 war ein trockenes Jahr, bei dem am Ende die große Reife fehlte – ein dennoch interessantes Bordeaux-Jahr; 2012 war der Sommer nicht besonders und die Nachsaison konnte nicht alle Defizite ausgleichen – so mancher Winzer hat jedoch nach strenger Auslese wirklich gute Weine produzieren können – zu sehr hohen Gestehungspreisen; 2013, derzeit noch in den Fässern schlummernd, wird als der schwierigste seit 1992 bezeichnet – und der Ertrag war noch geringer als 2012! Die Qualität des Jahrgangs 2013? „En fin du compte pas si mal que ça…“, hört man in Bordeaux. Was auch immer das heißen mag. Unter diesen Umständen haben viele Châteaus es nicht leicht, über die Runden zu kommen. Der finanzielle Druck ist groß. Etliche Winzer sehen sich veranlasst, ihre Weingüter zu verkaufen oder aufzugeben. Klar, die besten Terroirs finden Abnehmer. Aber es gibt eben nicht nur gute Terroirs im Bordelais.
Weinkritiker, die ihren Job ernst nehmen und kein Problem damit haben, Weine blind zu verkosten (also ohne zu wissen, um welche Châteaus es sich handelt) und auch gerne wenig bekannte, preiswerte Crus unter die Lupe nehmen, stoßen immer wieder auf Überraschungen. Manchmal auf negative, etwa wenn ein Referenz-Cru deutlich unter dem gewohnten Niveau bleibt, manchmal auf gute, wenn ein spektakulär guter Wein sich als kaum bekanntes Château entpuppt!
Ende September 2014 hat „revue“ den Bordelais besucht und in allen bekannten Appellationen den Jahrgang 2012 bzw. 2011 verkostet, die beide jetzt auf den „Foires au vin“ erhältlich sind. Laut Philippe Castéja, Weinhändler und Vorsitzender des „Conseil des Grands Crus Classés en 1855 Médoc & Sauternes“, ist Luxemburg immer noch ein sehr stabiler Markt – Bordeaux-Weine machen in den Supermärkten einen erheblichen Teil des Gesamtumsatzes in der Sparte Wein aus.
Wir stellen Ihnen auf diesen Seiten eine Auswahl besonders guter Weine mit exzellentem Preis/Leistungsverhältnis vor: erschwingliche Bordeaux-Crus, die wir uneingeschränkt empfehlen können. Spaß-Weine eben!