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Janus mit den zwei Gesichtern

Lappland, in Finnland, 170 km nördlich vom Polarkreis. Für die Jahreszeit ist es viel zu warm. Bei angenehmen minus 15 Grad und null Luftfeuchtigkeit hat der Autohersteller Subaru zu seinen ersten „Snow Days“ geladen.

Text: Gil Nieles / Fotos: Subaru

Moment mal… wer? Subaru, eine immer noch nicht jedermann geläufige japanische Automarke. Rallye-Fans kennen den Namen freilich aus den 90er Jahren, als Colin McRae, Ari Vatanen, Hannu Mikola und Markku Alén mit dem Impreza WRX mit der enigmatischen Nummer 555 über die Pisten heizten und der damals fast völlig unbekannten Marke drei Weltmeistertitel einbrachten. Die Firma selbst entstand nach dem Zweiten Weltkrieg aus der Nakajima Aircraft Company, die während dem bewaffneten Konflikt einen großen Teil der japanischen Kampf- und Transportflugzeuge herstellte. Sie wurde nach dem Krieg in 12 kleinere Firmen zerteilt, von diesen 12 schlossen sich 1950 fünf wieder zusammen, so entstand Fuji Heavy Industries. Und die bauten 1954 den Urahn der heutigen  Modelle unter dem Codenamen P1: den Subaru 1500.

Der Name Subaru bezieht sich auf den Sternhaufen der Plejaden, die als Vorlage für das Firmenlogo dienten. Schon in den Anfangsjahren bezog sich die Firmenphilosophie gezielt auf Zuverlässigkeit und Sicherheit, so dass bereits 1960 ihre Autos Crashtests durchliefen. Heute ist Subaru neben einigen Ausnahmen wie Mazda, Aston Martin, McLaren und Tesla, einer der letzten „unabhängigen“ Autohersteller. Mit mehr als einer Million Einheiten im letzten Jahr verkaufte Subaru weltweit zwei Mal so viele Autos wie z.B. Volvo, die hier zu Lande allerdings jedes Kind kennt.

Boxen im 4/4-Takt

Antriebstechnisch baut Subaru ausnahmslos Boxermotoren. Ein Prinzip, das die meisten Zeitgenossen eher vom VW Käfer und vom Porsche 911 her kennen. Seit letztem Jahr auch nur noch als Benziner, denn vom Diesel hat man sich wohl oder übel verabschiedet. Da der hauseigene Dieselmotor in die Jahre gekommen war und der Selbstzünder in Europa und anderswo sowieso ein sehr heikles Thema geworden ist, entschloss man sich schließlich gegen eine kostenintensive Neuentwicklung und schicke ihn kurzerhand aufs Altenteil.

Der Boxermotor arbeitet mit um 180 Grad versetzten, gegenläufigen Kolben. Er ist sehr vibrationsarm, schnell ansprechend und leichtgängig. Konstruktionsbedingt baut der Motor sehr flach und kann so tiefer in ein Chassis eingebaut werden, was durch einen tieferen Schwerpunkt der Stabilität und folglich der Straßenlage zugutekommt. Bis dato hat Subaru über 19 Millionen dieser Boxermotoren gebaut! Mit einer durchschnittlichen Laufleistung von 300.000 bis 400.000 Kilometer wurde darüber hinaus die extreme Standfestigkeit des Subaru-Boxermotors über die Jahre hinweg mehr als deutlich untermauert. Ein kleiner, konstruktionsbedingter Wermutstropfen ist sein im Vergleich zum Reihenmotor um bis zu zehn Prozent höherer Benzinverbrauch. Zur Auswahl stehen Aggregate mit  1,6, 2,0 oder 2,5 Liter Hubraum, allesamt Vierzylinder mit Mehrpunkteinspritzung.

Alle Modelle der Marke sind allradgetrieben, mit Ausnahme des BRZ, dem kleinen Sportler der Familie, der zwar in Zusammenarbeit mit Toyota entstand, aber in beiden Fällen (sowohl als Subaru BRZ als auch Toyota GT86) bei Subaru vom Band läuft. Bei dem „Symmetrical All Wheel Drive“ genannten Prinzip sind alle Hauptkomponenten, vom Motor über das Getriebe und den Achsenantrieb, bis zum hinteren Differenzial, in einer Linie angeordnet, also völlig symmetrisch. Das ergibt einen gleichmäßigen Antriebsfluss, der frei ist von störenden Einwirkungen, und eine ausgeglichene Gewichtsverteilung und ein neutrales Fahrverhalten garantiert.

Die Kraftübertragung erfolgt bei allen Modellen über das hauseigene Automatikgetriebe. Dieses stufenlose CVT-Getriebe  (das steht für „Continuously Variable Transmission“) gewährleistet einen kontinuierlichen Antrieb ohne jeglichen Gangwechsel. Hier scheiden sich dann die Geister, denn sportlich ambitionierte Fahrer vermissen oft das Gefühl nachvollziehbarer Gangwechsel, während Otto Normalverbraucher sich eher mit dem stetig surrenden, einer Vespa ähnelnden Vorwärtsdrang abfinden können. Auf jeden Fall hat man in allen Lebenslagen die richtige Übersetzung. In der Theorie zumindest.

Durch die gekonnte Kombination von Allradantrieb und CVT-Getriebe sind alle Modelle der Marke auch optimal für den Hängerbetrieb ausgelegt, ob das ein kleiner Anhänger mit Heckenschnitt, ein Wohnwagen oder gar ein Pferdetransport ist, die Subarus haben auch auf matschigem oder verschneitem Untergrund stets Traktion. Dies konnten wir ausgiebig bei den Testfahrten in Finnland überprüfen. Mit einem Impreza über nicht befestigte, mit 30 cm  Schnee bedeckte Waldwege fuhren wir ganz ohne Schweißausbrüche, mit dem XV, Outlander und Forester dann über vereiste und verschneite Buckelpisten: alles ein Kinderspiel. Da die Sicherheit, ob passiv oder aktiv, bei Subaru an vorderster Stelle steht, bleibt diesbezüglich kaum ein Wunsch offen. Das angestrebte Ziel des Herstellers ist es nach eigenen Angaben, bis 2020 zur weltweit sichersten Automarke zu werden. (Anm. d. Red.: Wir sehen schon jetzt wie sich die Zornesadern der Entrüstung in den Volvo-Hälsen aufblähen).

Sicher ist sicher

Bis heute haben die verschiedenen Subaru-Modelle bei jedem Crashtest, ob IIHS („Insurance Institute for Highway Safety“, USA), JNCAP („Japan New Car Assessment Programme“, Japan) oder Euro NCAP („European New Car Assessment Programme“, EU), jeweils die maximale Punktzahl erreicht, dies auch Dank der stetigen Weiterentwicklung der Fahrgastzelle unter Verwendung von hochfestem japanischem Stahl und dem tief platzierten Boxermotor. Für aktive Sicherheit sorgen diverse elektronische Systeme, unter denen das hauseigene, über Jahre  hin immer weiterentwickelte „Eyesight“ hervorzuheben ist. Bis dato wurden über eine Million Fahrzeuge mit diesem System ausgeliefert. Basierend auf zwei, neben dem Rückspiegel platzierten Farbkameras, welche als zusätzliches Augenpaar dienen, werden so die Distanz zum vorausfahrenden Fahrzeug sowie zum Seiten- und Mittelstreifen ermittelt und dann über Eingriffe auf Motorleistung, Bremsen und Lenkung Unfälle vermieden. Eyesight erkennt Fahrzeuge ebenso wie Fußgänger oder Tiere und leitet in Notfällen eine Vollbremsung ein. Beim Test funktionierte das einwandfrei, sogar auf Schnee und Eis. Adaptive Geschwindigkeitsregelung, Spurhalteassistent, Fußgängererkennung, Bremsassistent, vereinfachen das Leben nicht nur, sie verlängern es unter Umständen auch.

Das Leitmotiv bei Subaru lautet: „Safe, Fun and Tough“. Wenn dies auch beim Antrieb und der Karosserie zutreffend ist, so vermisst der Europäer im Innenraum den Spaßfaktor ein bisschen. Alles ist sehr solide gebaut und einfach zu bedienen, aber auch immer sehr ernsthaft, um nicht zu sagen etwas spröde. Das könnte daran liegen, dass die Definition von Spaß in Japan eine völlig andere ist als das bei uns. Die verwendeten Materialien sind nicht schlecht und alles ist gut verarbeitet, nur eben resolut grau und schwarz. Was die Preisgestaltung angeht, könnte man auf den ersten Blick annehmen dass die verschiedenen Modelle etwas teurer sind als ihre direkte Konkurrenz. Bei genauerem Hinsehen stellt man jedoch fest, dass diese Schlussfolgerung nicht zutrifft. Man muss ja bedenken, dass ein Subaru mit Allradantrieb und Automatikgetriebe ausgestattet ist, und dass eine derartig reichhaltige technische Ausstattung bei der Konkurrenz meist einen erheblichen Aufschlag kostet. Bei Subaru ist das von Anfang an drin.

Fazit: Subaru, der verkannte Underdog der SUV-Gemeinschaft, baut sehr solide, sichere, technisch gut durchdachte Automobile, mit einem gut funktionierenden Allradantrieb und einer ausgereiften, wenn auch vom Prinzip her diskutablen Automatik. Der Boxermotor hat sich über Jahre bewährt, das Interieur ist sehr gut verarbeitet, wenn auch ein bisschen trist, aber in Anbetracht der Ausstattung und der Qualität sind die Verkaufspreise gerechtfertigt. Über Design lässt sich bekanntlich streiten, ein Subaru hat aber auf jeden Fall seine eigene Persönlichkeit.

Eric Netgen