Im Rahmen des Europäischen Monats der Fotografie präsentiert Cristina Dias de Magalhães zwei Projekte, die sich mit Körperlichkeit auseinandersetzen: „L’autre-portrait“ und „Embody“.
Im November wird sie ihren 40. Geburtstag feiern. Zum Interviewtermin erscheint eine junge Frau, die gerade ihr Studium abgeschlossen zu haben scheint. Dabei ist Cristina Dias de Magalhães – als Künstlerin, Kunstlehrerin und Mutter von dreijährigen Zwillingen – längst im Erwachsenenleben angekommen. Dennoch strahlen ihre Augen wie die eines Kindes, als sie über ihre fotografischen Arbeiten und die kommenden Ausstellungen in der Abtei Neumünster zu sprechen beginnt. Paul di Felice von Café-Crème asbl, Kurator und Mitinitiator des Europäischen Monats der Fotografie in Luxemburg, kennt sie schon lange. Genauer gesagt: seit ihrem Kunststudium an der Pariser Sorbonne. Er hat das Vorwort zu ihrem Buch „Vu(es) de dos“ geschrieben, einer höchst interessanten Dissertation über den Rücken als Ausgangspunkt und Handlungsort künstlerischer und philosophischer Auseinandersetzung.
Um die Ab- und Anwesenheit dieses Teils des menschlichen Körpers dreht sich auch die Fotoserie „Embody“. „Wéi ech gefrot gouf, zum Thema Body Fiction(s) eng Ausstellung zesummenzestellen, hunn ech mäin Archiv duerchwullt an déi Biller erausgesicht, déi a mäi Konzept passen an en Dialog ënnereneen entweckelen“, erklärt Cristina Dias de Magalhães. Dieses Konzept erinnert nur zum Teil an das Pathos der Selbstinszenierung, denn eigentlich will die Fotokünstlerin mit ihren Selbstporträts, die sie mit Landschaftsbildern kombiniert und überlagert, etwas anderes aussagen. Es geht ihr in erster Linie um ein zeitloses Zwiegespräch zwischen erlebten Emotionen (positive und negative). Der angeschnittene Rücken oder die Schulterpartie, der Nacken oder der Oberarm sollen spürbar werden. Nicht als Ganzes, sondern nur partiell. Trotz dieser Fragmentierung gelingt es der Fotografin, eine irreale Bewegung zum Ausdruck zu bringen und den Betrachter in deren Rhythmus einzubeziehen. Klingt komplex, ist es indes ganz und gar nicht.
„Embody“ befasst sich u.a. mit der Suche nach dem Kairos, diesem besonderen Moment, der alles verändert.
„De face je suis, de dos je subis“ lautet das Motto von „Embody“. Mit dem Gesicht und mit Gesten hat der Mensch unzählige Möglichkeiten, starke Gefühle wie Freude und Glück, Schmerz und Trauer auszudrücken. Den Rücken vergleicht Cristina Dias de Magalhães derweil mit einem Riesen aus Fleisch, der stumm die Erinnerungen eines Lebens trägt. Indem sie ihre Rückenbilder mit Landschaftsaufnahmen und Innenansichten kombiniert, werden Körper und Geist gewissermaßen eins. Und da ältere Fotografien mit rezenteren verknüpft werden, spielt die Chronologie keine Rolle. Viel wichtiger sind der Künstlerin das Licht und die Farbgebung der Gesamtkompositionen. In ihnen spiegelt sich vor allem die Problematik von Außen und Innen. Zudem befasst sich „Embody“ mit der Suche nach dem Kairos. So nannten die Philosophen des antiken Griechenlands diesen besonderen Moment, der alles verändert und dessen perfekte Balance alles zusammenfließen lässt. Und dann machten sie aus dem Kairos einen Gott mit Glatze und einem Schopf an der Stirn, den es zu packen galt. Oder eben nicht. Nur: Wie erkennt man die göttliche Gelegenheit, die man ergreifen soll? Für Cristina Dias de Magalhães hat Kairos mehrere Deutungen. Es ist ein Geschenk. Und es ist die Erkenntnis, „que nous n’existons pleinement qu’à travers ce(ux) qui nous entoure(nt)“.