Ein schwer zugänglicher Nationalpark, ein einsamer Berg, überwältigende Panoramen und die Bootsfahrt zu einer Insel, die einst von einer riesigen Schlange bewohnt war, sind nur einige der Highlights der revue on tour-Wanderreise am Lago Maggiore.
Es gibt Zufälle, die keine sind, und es gibt Menschen, die Geduld für mindestens drei haben. Francesco, zum Beispiel. ASI-Bergwanderführer will er werden, doch damit, dass er es bei seiner ersten „praktischen“ Prüfung ausgerechnet mit einer kleinen Gruppe abenteuerlustiger Luxemburger zu tun bekommt, hat er selbst wohl am wenigsten gerechnet. Aber eins nach dem andern.
Die Vorstellungsrunde am ersten Abend läuft reibungslos. Auch am darauf folgenden Wandertag, als ein paar Ausreißer auf eigene Faust den Rückweg ins Hotel antreten und dann stundenlang völlig orientierungslos in einem Wald herumirren, bleibt Francesco die Ruhe selbst. Sogar am dritten Tag, als einer der ihm anvertrauten Wanderer so lange Fotos von einem Eselpärchen macht, dass er die Gruppe aus den Augen verliert, eine falsche Wegrichtung einschlägt und schließlich verloren geht, lässt sich der gebürtige Italiener nicht die geringste Nervosität anmerken. Wütend sind lediglich die anderen, die gut eine Stunde auf dem Sacro Monte di Orta ausharren müssen, bis die Herde wieder komplett ist.
Von den Schätzen, die es am Lago d’Orta zu entdecken gibt, ist die Insel San Giulio die schönste Überraschung.
Mit diesen beiden Zwischenfällen wäre der angehende Wanderführer eigentlich schon „bestraft“ genug gewesen, aber Luxemburger können mitunter ganz schön fies sein – ungewollt selbstverständlich –, und so kommt es an den beiden letzten Tagen zu weiteren Intermezzi, die Francescos Geduld arg auf die Probe stellen. Erfolgreich. Die Alpinschule Innsbruck muss diesen Mann in ihr Team aufnehmen. Es kann keinen besseren, keinen toleranteren und vor allem keinen liebenswürdigeren Führer als ihn geben.
Doch nun zu den wirklichen Highlights der revue on tour-Wanderreise zu den sechs Seen, die den Lago Maggiore umgeben. Am eindrucksvollsten bleibt der bereits erwähnte „Heilige Berg“, der Franz von Assisi gewidmet ist und zwanzig Kapellen vereint, in denen Episoden aus dem Leben des Begründers des Franziskanerordens dargestellt sind – in Lebensgröße. An der Umsetzung dieses frommen Theaters mit leblosen Schauspielern seien große Künstler beteiligt gewesen, erzählt Francesco und zählt die Namen auf. In der Gemeinde Varallo Sesia gibt es übrigens einen ähnlichen Wallfahrtsort, beide und andere sind 2003 von der UNESCO als „Sacri Monti“ zum Weltkulturerbe erklärt worden.

Aussichtsgipfel: Vom Monte Zughero bietet sich ein überwältigender Panoramablick auf sieben Seen. Foto: Gabrielle Seil
Das Besondere an diesem Ausflugsziel erklärt sich einerseits durch die einzigartige Lage auf einer panoramareichen Anhöhe am Ortasee, andererseits aber auch durch den künstlerischen und architektonischen Reichtum der Anlage und deren einmaligen Atmosphäre. Die Gesichter der Figuren trügen die Züge von Leuten aus den benachbarten Dörfern, weiß Francesco. Eine Tatsache, die der im 17. und 18. Jahrhundert angestrebten religiösen Erziehung gedient hat. Denn da die meisten Gläubigen nicht lesen und schreiben konnten, sollte ihnen die frohe Botschaft in Bildern verkündet werden. 1980 wird der Sacro Monte di Orta schließlich zum Naturschutzgebiet erklärt – ein zusätzlicher Reiz.
Reizvoll sind ebenfalls das gleichnamige Dorf mit seinem Gewirr von engen Gassen, seinen Antiquitätenläden und belebten Lokalen sowie die nach dem Heiligen Julius benannte Insel San Giulio. Der Legende nach hat Giulio, als er sich dem Ort näherte, zunächst alle wilden Tiere verjagt, dann seinen Mantel über das Wasser ausgebreitet und schließlich die Insel erreicht, ohne nass zu werden. Und am Ende seines Lebens ließ er eine Kirche errichten, um auf dem mythisch wirkenden Eiland seine letzte Ruhe zu finden. Heute zählt die Basilika di San Giulio zu den bedeutendsten romanischen Bauwerken im ganzen Piemont.