Thionville liegt so nah an der luxemburgischen Grenze, doch leider wird die Stadt als Ausflugsziel gerne vergessen, zu Gunsten anderer in der Großregion, wie Metz oder Trier. Ein Irrtum, denn die französische Grenzstadt hat einiges zu bieten.
Alles hatte eigentlich mit einem Umzug von Luxemburg nach Thionville begonnen. Bekannte von mir hatten sich nach langer Überlegung für den Kauf einer Wohnung in „Diddenuewen“ entschieden. Es war interessant und amüsant, auf vielen Gesichtern diesen Mix aus Überraschung und Entsetzen festzustellen. Aber warum? Warum klingt Thionville in vielen Ohren so „unsexy“? Diese Frage hat mir keine Ruhe gelassen. So kam ich ganz schnell zum Entschluss: Ich muss dahin. Denn zugegeben, ich selbst kannte bis dahin nur den Bahnhof, an dem der TGV halt macht, wenn ich nach Paris fahre und die „Saint Joseph de Beauregard“-Kirche, an der die Autobahn vorbeiführt. Das war es. Es ist fast beschämend.

„La tour aux puces“, war ursprünglich ein Kerker.
Umso mehr war ich überrascht, als ich an einem Samstagmorgen, im historischen Zentrum der Hauptstadt des Dreiländerecks, eine architektonische Vielseitigkeit entdecke, die einen ganz besonderen Charme hat und die Stadt richtig einladend macht. Sie liegt kilometerweit entfernt von dem düsteren, vernebelten Bild einer Industriestadt mit grauen(-haften), traurigen und stillosen Gebäuden. Natürlich gehört die Stahlindustrie zu seiner Geschichte, aber das Land der drei Grenzen besitzt ebenfalls einen kulturellen Reichtum, geprägt von einer vielfältigen und langen Geschichte. Die ehemalige Festungsstadt gehörte abwechselnd zu Luxemburg, Deutschland und Frankreich. Das hat natürlich Spuren hinterlassen. Das erkennt man zum Beispiel an verschiedenen Bauten, die aus Zeiten stammen, in denen Thionville zum deutschen Kaiserreich gehörte. Neben dem Rathaus mit seinen mittelalterlichen Arkaden befindet sich seit 1905 das archäologische Museum, in einem beeindruckenden Turm mit 14 Seiten. „La tour aux puces“, war ursprünglich ein Kerker. Laut einer Legende wurde hier eine Prinzessin von Flöhen gefressen. Die wahre Geschichte ist weniger makaber, doch umso mehr interessant. Der Name des Turms ist das Resultat eines Übersetzungsfehlers. Ursprünglich war es der „Peetzturm“, zu Zeiten der Grafen von Luxemburg. Im 16. Jahrhundert wurde der Turm irrtümlicherweise „La tour aux puces“ anstatt „La tour aux puies“ umgetauft.
Einige Meter entfernt sollten Sie sich die „Saint-Maximin“-Kirche mit seiner beachtenswerten Orgel nicht entgehen lassen. Eine der schönsten in ganz Europa. Angeblich besteht sein Pfeifenwerk aus 3.500 Reihen.
Zeit für eine kulinarische Pause in einem einstigen Gefängnis. „La prison dorée“ lädt auf eine eher außergewöhnliche gastronomische und historische Reise ein. In dieser Trattoria, die sich im ehemaligen Frauengefängnis befindet, das 1876 in Betrieb genommen wurde und 1970 geschlossen wurde, wird Ihnen das Essen in einer Zelle serviert. Die architektonische Authentizität wurde dementsprechend respektiert. Ein spannendes und atypisches Erlebnis.